Der Attentäter - The Assassin
zählte nur das Resultat, der Erfolg.
»Wir haben versucht, die Sache totzuschweigen«, fuhr Harper fort. »Nicht einmal Kharmai kennt die Wahrheit. Wir konnten es uns nicht leisten, dass Kealeys Tarnung aufflog, und zu der Zeit war er extrem gefährdet. Es war zu seinem Schutz.«
Ford dachte einen Augenblick nach. Dann begriff sie, und ein schwaches Lächeln umspielte ihre Lippen. Harper fluchte innerlich, denn es war klar, dass sie eine Verbindung zwischen Arshad Kassem und dem gegenwärtigen Thema hergestellt hatte. Er fragte sich kurz, wie er sich verraten hatte, doch Fords nächster Satz riss ihn aus seinen Gedanken.
»Wie sieht die Lage jetzt aus?«
»Wir haben keine andere Wahl, als zu warten«, lautete Harpers lapidare Antwort. »Ich hoffe, etwas aus Bagdad zu hören. Die gesamte Kommunikation, die etwas mit dem Thema al-Maliki zu tun hat, wird über unsere Botschaft weitergeleitet. Falls es unserem Mann nicht gelingt, Informationen aus Kassem herauszuholen, müssen wir uns auf unsere anderen Quellen verlassen und sehen, was passiert.«
Ford schnaubte und schien gerade etwas sagen zu wollen, als ihr Handy piepte. Sie blickte auf das Display. »Entschuldigen Sie mich, ich habe auf den Anruf gewartet.«
Schon halb an der Tür, drehte sie sich noch einmal zu Harper um und sagte in einem seltsamen Tonfall: »Mir scheint, wir
müssen uns hier ernsthaft um Schadensbegrenzung kümmern. Ich muss wohl nicht eigens betonen, dass Kassem keine Gelegenheit bekommen darf, seine Geschichte zu erzählen. Ich nehme an, Sie sind meiner Meinung.«
Harper war zu überrascht, um sofort zu antworten. Stattdessen nickte er einmal kurz, und Ford verließ das Büro.
Sobald sie verschwunden war, schien sich die Stimmung in dem Raum etwas zu entspannen. Nach einem Blick auf die Uhr stand Andrews auf, um zu einem Schrank hinter seinem Schreibtisch zu gehen, und kurz darauf kam er mit zwei halb vollen Gläsern mit Glenlivet zurück.
Harper nahm den Whiskey dankbar entgegen. Der Direktor war bekannt dafür, die Vorschriften zu ignorieren und stets Alkohol in seinem Büro zu haben, aber er ging sparsam damit um. Einen Drink bekam man erst angeboten, wenn die Geschäfte erledigt waren. Auch ein zweites Glas war gelegentlich drin, von einem dritten wusste niemand etwas.
Während Andrews sich müde in den Sessel fallen ließ und seine Krawatte lockerte, kam Harper noch einmal auf Fords Abschiedsworte zu sprechen, und der Direktor nickte nachdenklich.
»Ich weiß immer noch nicht genau, was ich von ihr halten soll«, sagte er. »Man kann nicht recht einschätzen, wo sie steht. Wussten Sie, dass Ford im Kongress im Geheimdienstausschuss saß?«
Harper nickte, nicht weiter überrascht, welche Wendung das Gespräch nahm. Ford mochte eine höhere Position haben als er, doch Jonathan Harper war länger bei der CIA als Andrews und Ford zusammen, und der Direktor hatte noch nie gezögert, die große Erfahrung seines Untergebenen zu nutzen. »Ich weiß nicht besonders viel über sie - zu den Anhörungen werde
ich nicht eingeladen -, aber ich habe es in ihrem Lebenslauf gelesen, als sie nominiert wurde.«
»Außerdem war sie Vizevorsitzende im Ausschuss für Terrorismusbekämpfung.«
Harper wirkte überrascht. »Das muss mir entgangen sein.«
»In dieser Funktion hat sie uns mehrfach den Rücken gestärkt, und zwar bevor der Präsident sie nominierte. Eigentlich sogar, bevor sie überhaupt für ihren jetzigen Job in Betracht gezogen wurde. Der Ausschuss war auch für Spionage und Gegenspionage zuständig. Ich werde zu diesen Anhörungen eingeladen. Sie hätte uns mehr als einmal das Leben schwer machen können, besonders nach dem, was letztes Jahr passiert ist, aber sie hat uns unseren Freiraum gelassen. Deshalb war ich mit ihrer Nominierung auch sofort einverstanden. Wenn man an der Spitze steht, muss man überlegen, welche Schlacht überflüssig ist und welche man schlagen muss.«
»Ich habe mich seinerzeit darüber gewundert.«
Andrews nickte erneut. »Ford ist wie ich … Sie muss erst noch richtig in ihren Job hineinfinden. Diese Geschichte mit Kealey … Meiner Ansicht nach ist sie beunruhigt, weil uns diese Episode echte Probleme einbrocken könnte. Sie ist nicht einfach nur bösartig, und was sie über Kassem gesagt hat, findet meine Zustimmung. Wir dürfen nicht zulassen, dass er redet.«
Harpers Blick glitt zu dem nach Westen gehenden Fenster des Büros. Eine Abenddämmerung mit schweren Wolken, das melancholische Ende eines
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