Der Attentäter - The Assassin
Feuerstoß abgeben sollte, doch dann entschied er sich, es mit einer Kugel zu versuchen.
Es hatte leicht zu regnen begonnen, und die Tropfen wurden von einem sanften Wind nach Osten getrieben. Er zielte fünf Millimeter vor den Franzosen - fünf Striche auf der horizontalen Skala seines Zielfernrohrs - und holte tief Luft. Dann
atmete er langsam und vollständig aus und zog den Auslöser durch. Die ferne Gestalt war gerade bei dreieinhalb Millimetern in das Zentrum gelaufen.
Bessons Lungen brannten, als er am anderen Ende der Weide in einen Entwässerungsgraben stolperte. Er rutschte in dem Matsch aus, konnte sich aber gerade noch fangen. Als er sich umblickte, hätte fast sein Herzschlag ausgesetzt. Der Amerikaner kniete, wie ein ausgebildeter Scharfschütze, und hatte das Gewehr an die Schulter gepresst. Ihm war klar, was geschehen würde. Etwas in den hintersten Windungen seines Gehirns sagte ihm, er müsse rennen, mit letzter Kraft, aber sein Körper war durch die Angst wie paralysiert.
Irgendwie schaffte er es, den Graben auf der anderen Seite zu verlassen. Er rannte weiter, verzweifelt, holte alles aus sich heraus. Noch fünfzehn Meter, er hatte den Wald fast erreicht.
Erleichterung überkam ihn. Die Bäume waren zum Greifen nah, belaubte Äste behinderten die Sicht. Es schien ausgeschlossen, dass der Amerikaner …
Weder hörte er das Geräusch des Schusses, noch spürte er die Kugel in seinen Körper einschlagen. Stattdessen setzte einfach sein Gehirn aus, als hätte man einen Schalter umgelegt. Finsternis umfing ihn, für immer.
»Unglaublich«, flüsterte Raseen, die den Mund nicht wieder zu bekam. »Mit der ersten Kugel.«
Vanderveen kniete wie erstarrt da. Er hatte einen roten Fleck gesehen, glaubte sogar gehört zu haben, wie die Kugel in den Kopf des Franzosen einschlug, der sofort zu Boden ging. Eigentlich hielt er es für ausgeschlossen, dass er noch lebte, doch es war zu früh, es mit Sicherheit sagen zu können. Er hatte
selbst erlebt, dass Menschen mit eigentlich tödlichen Schusswunden überlebten, und das denkwürdigste Ereignis lag acht Jahre zurück, als er in Syrien auf eine Entfernung von 457 Metern genauso exakt getroffen hatte, allerdings in die Brust. In diesem Fall hieß das Opfer Ryan Kealey, der sein Kommandeur gewesen und auf unerklärliche Weise mit dem Leben davongekommen war. Wenn er bedachte, wie dieser Mann ihm seitdem ins Handwerk gepfuscht hatte, musste er es als sein größtes persönliches Versagen betrachten, Kealey damals nicht eliminiert zu haben.
Aber er hatte es ihm heimgezahlt, wenn auch nicht in dem wünschenswerten Ausmaß. Kealeys Einmischung im letzten Jahr war ihn teuer zu stehen gekommen, er hatte sich gerächt. Noch heute erinnerte er sich überdeutlich an jene Nacht. An Kealeys Verzweiflung, ein Anblick, der mit Geld nicht zu bezahlen war. Noch befriedigender war das Leiden der Frau gewesen, der er das Messer in den Hals gestoßen hatte und die in Kealeys Armen zitterte wie ein verängstigtes Kaninchen …
»Warum lächeln Sie?«
Raseens Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Das Lächeln verschwand, die Erinnerung blieb. »Nur so.«
Sie wies mit einer Kopfbewegung in Richtung des Waldrands. »Was machen wir mit ihm?«
Er räusperte sich und dachte nach. »Eigentlich gibt es nur eine Möglichkeit. Die Leiche wegzuschaffen, wäre zu riskant. Vor unserer Abfahrt aus Paris habe ich den Wetterbericht gehört. Heute Nacht soll es stark regnen, sodass von den Fußspuren nach ein paar Stunden nichts mehr zu sehen sein dürfte. Wir müssen die Patronenhülsen und die Zielscheiben mitnehmen. Bis sie ihn finden und die Polizei mit der Untersuchung beginnt, haben wir unseren Job erledigt und sind außer Landes.«
Sie hob eine Augenbraue. »Wir?«
»Ich könnte Hilfe gebrauchen, aber die Entscheidung liegt bei Ihnen. Morgen ist Ihr Teil des Auftrags erledigt, und Sie haben keine weiteren Verpflichtungen. Aber wenn Sie keine Lust haben …«
Nach kurzem Nachdenken nickte sie. »Mein Auftrag lautet, Sie auf jede erdenkliche Weise zu unterstützen. Ja, wenn Sie mich brauchen, komme ich mit. Meine Pässe sind in einer Wohnung in Paris. Wir müssen kurz anhalten, damit ich sie holen kann.« Sie schwieg kurz. »Es wäre besser, wenn hier noch etwas passieren würde.«
»Sie wollen es wie einen Unfall aussehen lassen?«
»Genau. Natürlich werden sie die Wahrheit herausfinden, aber wir gewinnen Zeit. Und falls unerwartete Probleme auftreten …«
Er nickte
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