Der Attentäter - The Assassin
mir das aus?«
»Klar.«
Während sie sich an die Arbeit machte, fiel ihm plötzlich etwas auf. »Wo ist der Laptop eigentlich? Du hast gesagt, du hast ihn nicht, stimmt’s?«
Der Drucker verstummte, und sie reichte ihm die Seiten. »Da ich wusste, dass man hier kaum einen Schritt tun kann, ohne jemandem vom FBI auf die Füße zu treten, habe ich das Material in Langley entschlüsselt und alles auf dieser CD gespeichert. Der Laptop ist weiter bei Davidson.«
Er schaute sie lange an, mit einem seltsamen Blick. Sie war sich nicht sicher, was sie darin lesen sollte. Bewunderung? Oder doch etwas anderes?
Es schien, als wäre er im Begriff, sie zu loben, doch stattdessen sagte er nur: »Wahrscheinlich willst du die Namen überprüfen, die du über das NCIC gefunden hast, aber es sollte so aussehen, als würdest du es im Zusammenhang mit einer anderen Untersuchung tun. Ich will das FBI so lange wie möglich aus dieser Geschichte heraushalten.«
»Kein Problem.« Das National Crime Information Center beherbergte eine Datenbank des FBI, in der eine Unmenge an Informationen über flüchtige Kriminelle gespeichert waren, von Täterbeschreibungen bis hin zum letzten Aufenthaltsort. Sie war ein unschätzbares Hilfsmittel für alle Regierungsbehörden, darunter auch die CIA. »Ich schicke das Material auch über Interpol raus.«
»Danke. Wenn irgendwas ist, erreichst du mich über mein Handy.«
»Wohin willst du?«, fragte sie.
»Zurück nach Langley.« Er war schon halb auf dem Weg zur Tür, als ihm noch etwas einfiel. Sich noch einmal umdrehend, zeigte er auf die Diskette mit der Software, die ihr beim Eindringen in Masons Computer geholfen hatte. »Du hast gesagt, das Programm wurde in Stanford entwickelt?«
»Genau.«
»Hast du da nicht studiert?«
Sie blickte ihn an, und ein leichtes Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Kann schon sein.«
22
Washington, D.C./Paris
Jonathan Harpers Privatwagen war ein grüner Explorer Baujahr 98, der hundertachtzigtausend Kilometer auf dem Tacho hatte. Er war am Morgen vor dem Hotel abgestellt worden, der Schlüssel lag im Handschuhfach. Nachdem Kealey das Gebäude des NCTC verlassen hatte, fuhr er auf dem George Washington Highway in Richtung Süden, überquerte die Key Bridge und fuhr in die Innenstadt. Kharmai gegenüber hatte er nicht die Wahrheit gesagt. Er war nicht auf dem Rückweg nach Langley, doch das musste sie nicht wissen. Wahrscheinlich hätte sie ihn begleiten wollen, und er musste eine Zeit lang allein sein. An diesem Morgen hatte er sich schon zweimal unbeholfene Entschuldigungen anhören müssen, erst von Kharmai und dann, am Telefon, von Harper. Er hatte keine Lust, noch einmal so ein Gespräch zu führen.
Nachdem er am Judiciary Square einen Parkplatz gefunden hatte, stieg er aus und schloss den Wagen ab. Ein leichter Regen war den ganzen Morgen über gefallen, doch während der letzten Stunde hatte ein Wolkenbruch eingesetzt. Er schlug den Kragen seiner Jacke hoch und ging in südlicher Richtung die 3rd Street hinab, wo er hinter dem D.C. Courthouse an der Nordseite den John Marshall Park betrat.
Wie bei dem Wetter und um diese Tageszeit nicht anders zu vermuten, war in dem Park kaum etwas los. Ein paar die Schule schwänzende Teenager rasten mit ihren Fahrrädern
durch schlammige Pfützen. Hinter ihnen ging eine zierliche alte Frau mit einem Regenschirm, der so groß war, dass er für vier Personen ihres Körperbaus ausgereicht hätte. Auf einer Bank lag ein Obdachloser, den rechten Arm um ein dickes Bündel geschlungen. Herbstlich gefärbte Blätter flogen durch die Luft, der Wind trieb eine Getränkedose aus Aluminium vor sich her. Kealey nahm nichts davon wirklich wahr. Er war ganz in Gedanken an die Ereignisse der letzten Woche versunken.
Kurz darauf fand er sich auf der Pennsylvania Avenue wieder, wo er an dem hellen Marmorbau der kanadischen Botschaft vorbeikam. Dann tauchte links neben ihm die National Gallery of Art auf, und er ging weiter bis zur Ostseite des Gebäudes der Federal Trade Commission. Dort blieb er stehen und blickte auf ein Haus auf der anderen Straßenseite.
Der Capital Grille machte von außen nicht viel her. Die Fassade war aus rotem Backstein, zu beiden Seiten der breiten Holztür hingen Laternen aus Messing. Unter der schwarzen Markise hielten zwei steinerne Löwen Wache, als wollten sie unschlüssige Gäste abschrecken. Er war nicht wegen des Hauses hier, das nur ein weiteres sündhaft teures Restaurant der Hauptstadt
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