Der Attentäter - The Assassin
Speisekarte und schloss behutsam die Tür. Es war still in dem kleinen Alkoven; man hörte nur das leise Klappern von Tellern und einige Gesprächsfetzen aus dem vorderen Teil des Restaurants. Und das Geräusch des Regens, der gegen ein kleines Fenster mit Milchglasscheibe schlug.
Harper zeigte auf einen Stuhl. »Setzen Sie sich. Was hat Sie aufgehalten? Himmel, Sie sind ja völlig durchnässt.«
»Ich hatte Lust auf einen Spaziergang.«
»Wo sind Sie losgegangen? In McLean?«
Kealey schenkte sich etwas Tee ein und blickte auf seine nassen Kleidungsstücke. »Ich bin hier in den Wolkenbruch geraten.«
Es klopfte leise, und die Frau tauchte wieder auf, mit einem schüchternen Lächeln und einem Handtuch. Kealey, völlig überrascht, nahm es dankbar entgegen. Harper murmelte ein paar Worte auf Chinesisch, und die Frau verschwand.
»Hübsches Lokal«, bemerkte Kealey, während er sich das Haar abtrocknete. »Wie haben Sie es gefunden?«
»Ich kenne den Besitzer. Kommt aus Birma, war früher Diplomat. Ich habe 1994 mit ihm zusammengearbeitet, als ich für das Außenministerium tätig war. Ihm hat es in Washington so gut gefallen, dass er hier geblieben ist und dieses Restaurant eröffnet hat. Besonders häufig komme ich nicht her, aber er hat mich nicht vergessen.«
»Dann haben Sie gerade nicht Chinesisch gesprochen?«
Harper schüttelte lachend den Kopf. »Ich hoffe, wir müssen Sie nie irgendwo da unten einsetzen. Diese Sprachen sind alle eine einzige Katastrophe.«
Kealey lächelte. Harper legte seine Gabel hin, beugte sich zu einer neben seinem Stuhl stehenden Aktentasche hinab und schob schließlich zwei Schnellhefter über das karierte Tischtuch. Kealey zog sie zu sich heran und schlug den ersten auf. Er enthielt genau das, worum er Harper erst heute Morgen gebeten hatte - eine Kopie von Samantha Cranes Personalakte. Sofort begann er, die Seiten durchzublättern.
»Interessante Lektüre«, bemerkte Harper, als er sich wieder seinem Essen zuwandte. »Bekommen habe ich diese Personalakten über einen alten Freund beim FBI, mit dem ich während meiner Collegezeit ein Zimmer geteilt habe. Er ist beim FBI-Büro in Los Angeles und hat es da ziemlich weit gebracht. Außerdem schuldete er mir einen Gefallen.«
»Ein ziemlich großer Gefallen.«
»Ja. Er hat Informationen aus erster Hand über diese Frau.
Samantha Crane hat einen Ruf, und zwar keinen guten. Vor zehn Jahren wurde sie Spezialagentin, und seitdem hat sie in Ausübung ihres Dienstes acht Menschen getötet und ein weiteres Dutzend verletzt.«
Kealey blickte auf. »Guter Gott.«
Harper nickte. »Erstaunlicherweise konnte man ihr nach der internen Untersuchung der Vorfälle nichts vorwerfen, aber wie Sie sich denken können, haben diese Schießereien beim FBI einen schlechten Nachgeschmack hinterlassen. Auf diese Art von Publicity sind sie nicht scharf. Crane hat Schwein, sie hat einen Schutzengel.«
Die Kellnerin kam mit mehreren gefüllten Tellern zurück. Als sie sie auf den Tisch stellte, verstummten die beiden Männer, und Kealey blätterte weiter in der Akte. Samantha Crane war am 8. Juni 1978 geboren worden, in Scranton, Pennsylvania. 1999 hatte sie an der Pennsylvania State University einen Abschluss gemacht, und davor, von 1990-93, die Windward School in Los Angeles besucht.
»Was ist diese Windward School? Sie war noch ein Kind, als sie sie besucht hat.«
»Eine sehr renommierte Privatschule«, antwortete Harper. »Sie bringt ständig eine Menge vielversprechender junger Schauspieler hervor. Als Teenagerin hat Crane ziemlich oft in Werbefilmen mitgespielt. Was ich jetzt sage, steht nicht in der Akte, aber während ihres zweiten Jahres auf dieser Schule hat sie ihre Eltern verloren. Ihr Vater war Colonel, Pilot bei der Army, hoch dekoriert. 1991 wurde sein Apache im Irak abgeschossen, hinter den feindlichen Linien. Seine Leiche wurde nie gefunden, er wird immer noch als vermisst geführt.«
»Und die Mutter?«
Harper schien sich unbehaglich zu fühlen. »Hat sich umgebracht.
Nach der Nachricht vom vermutlichen Tod ihres Mannes hat sie sich die Pulsadern aufgeschnitten. Ich habe das überprüfen lassen … Offenbar ging es schon vor dem Unfall bergab mit ihr. Drogen, Alkoholmissbrauch, Sie kennen das.«
Kealey schaute wieder auf den Schnellhefter, doch Harper wusste, dass er in Gedanken woanders war. Wie ihm selbst musste auch Kealey aufgefallen sein, dass Samantha Cranes Kindheit eine bemerkenswerte Ähnlichkeit zu der Will
Weitere Kostenlose Bücher