Der Attentaeter von Brooklyn
für denkbar, dass sie durchgeschlafen hat.« Die Sergeantin setzte sich die Brille wieder auf. »Trotz der zahlreichen Stichwunden gibt es keine Anzeichen dafür, dass sich das Opfer gewehrt hat.«
»Das Mädchen sagt, sie sei mitten in der Nacht aufgestanden – schlechte Träume von kopflosen Freunden. Sie sah, dass das Schlafzimmer ihres Vaters leer war. Sie kam herunter, fand die Leiche und rief 9-1-1 an.«
Die Sergeantin tippte sich ans Kinn. Ihr Handy klingelte, und sie ging wieder ins Café.
»Warum sollte Marwan sich nicht gewehrt haben?«, sagte Omar Jussuf. »Als er mir auf der Straße nachgelaufen ist, war er eingeschüchtert. Ich bin mir sicher, dass er mit einem Anschlag gerechnet hat.«
»Vielleicht hat er außer seiner Tochter niemanden gern geschlagen«, sagte Hamsa. »Obwohl sie heute keine blauen Flecken hat.«
»Wie meinen Sie das?«
Hamsa rieb sich mit dem plumpen Daumen über die Unterlippe. »Sie sagten, Marwan sei Ihnen nachgelaufen, um Sie um etwas zu bitten? Um was?«
»Er sagte, es sei für Ala sicherer, im Gefängnis zu bleiben. Er glaubte, dass mein Sohn in Gefahr sei – und vielleicht auch ich –, weil Nisars Mörder glauben könnte, dass wir etwas wüssten, was wir nicht wissen sollten. Er hat mir nicht gesagt, wer sie sind, aber er schien zu wissen, wer Nisar ermordet hat. Jetzt ist Marwan tot. Deshalb glaube ich, dass seine Ermordung mit Nisars zu tun hat.«
»Fassen Sie nichts an, Ustas «, sagte Hamsa. »Warten Sie hier.«
Der Polizist ging die Treppe hinter der Küche hinauf. Marwan Hammijas Blut war auf den weißen Bodenfliesen verschmiert. Für einen Moment glaubte Omar Jussuf, den Toten schreien zu hören. Das ist nur deine Einbildung, sagte er sich, und Rania hat von oben jedenfalls nichts gehört. Trotz der brutalen Attacke muss Marwan schweigend gestorben sein .
Beim Gedanken an den Tod wurde ihm schwindelig. Er wandte sich vom Blut auf dem Fußboden ab und stützte sich mit den Armen gegen die Wand. Sein schwerer Atem ließ ein paar Rechnungen rascheln, die neben ihm mit einer Papierklammer an einem Brett befestigt waren. Sein Blickfeld verschwamm rötlich wie das Blut auf den Fliesen, und er stolperte. Mit der Schulter riss er die Papiere zu Boden. Sie landeten auf ihrer Rückseite, so dass das hinterste Blatt zuoberst lag, als er sie aufhob.
Es war die Gebetstabelle der Alamut-Moschee. Das gleiche Blatt, das er am Kühlschrank in der Wohnung seines Sohnes hatte hängen sehen. Das Blatt trug den Namen einer Moschee, von der nicht einmal Nahid Hantasch je etwas gehört hatte. Marwan hatte es hinter einem Stapel nichtssagender Rechnungen versteckt und so an die Wand gehängt, dass man es sogar übersehen musste, wenn man sich die anderen Papiere genauer ansah.
Omar Jussuf riss das Blatt aus dem Stapel und schob sich die Brille hoch, um die Zahlenreihen der Gebetszeiten für diesen Monat zu lesen. Er ließ seinen Blick von Fajr um 5 Uhr 26 bis Isha um 18 Uhr 50 Uhr gleiten. Zuerst fiel ihm nichts Besonderes auf, aber dann stellte er fest, dass einmal pro Woche die Zeit der Maghrib -Abendgebete um jeweils eine Stunde verschoben war. »Siebzehn fünfunddreißig, siebzehn siebenunddreißig, sechs vierzig, fünf zweiundvierzig«, las er und rieb sich nachdenklich das Kinn. Mit der Tabelle stimmt etwas nicht, dachte er. Aber die Fehler sind zu regelmäßig – einer pro Woche. Das ist kein Zufall .
Hinter der Küche gingen Schritte abwärts. Omar Jussuf schob sich die Gebetstabelle in die Jackentasche. Hamsa trat ein, duckte den Kopf unter dem niedrigen Türsturz. Er ging zur Seite, und Omar Jussuf sah seinen Sohn im Türrahmen stehen. Sein Gesicht war grau und schwer vor Erschöpfung. Ala starrte seinen Vater an, und auf seinen Wangen zeigte sich etwas Farbe, als wäre er wütend, ihn hier zu sehen.
»Mein Junge, du bist in Sicherheit.« Omar Jussuf machte einen Schritt vorwärts. »Allah sei Dank.«
Ala drückte sich an seinem Vater vorbei. »Ich bin nicht in Sicherheit, Papa. War Nisar in Sicherheit?« Er zeigte auf das Blut am Boden. »Oder Marwan?«
»Aber sie waren in eine üble Sache verwickelt. Drogen.«
Der junge Mann drehte sich zu Hamsa um und starrte ihn durchdringend an. »Sie sind ein Schweinehund, Abajat.«
»Und schon wieder ein zufriedener Kunde.« Hamsa lächelte so ausdruckslos, dass Omar Jussuf sich wunderte.
»Ein richtiger Schweinehund«, sagte Ala. »Sie und Ihre Schlägertruppe haben meine Vaterstadt ruiniert, und jetzt zerstören Sie
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