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Der Aufbewarier (German Edition)

Der Aufbewarier (German Edition)

Titel: Der Aufbewarier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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Stattdessen hatte er Widerspruch auf Widerspruch gegen seine Versetzung eingelegt, immer wieder auf seine fehlende Hand hingewiesen und auf seine Meriten als Frontsoldat in Flandern 1918. Er hatte so lange insistiert, bis sie ihn degradierten. Und jetzt fuhr er halt U-Bahn, und Luise saß im fernen Münsterland. Wobei das eine mit dem anderen wenig zu tun hatte. Seine Frau musste auf jeden Fall weg aus Berlin, das hatte man ihnen unmissverständlich klargemacht. Ihr Kontakt zu den Neebs, vor allem aber zum Ehepaar Schulze-Boysen, hätte sie leicht ins Gefängnis bringen können. Auf dem Dautschen Bauernhof war sie aus der Schusslinie - im doppelten Wortsinn. Bei jedem Luftalarm war Daut froh, dass sie nicht in Berlin war, auch wenn er sie und die Kinder oft schmerzlich vermisste.
     
    Am Spittelmarkt stieg eine junge Frau zu. Sie hielt den Kopf gesenkt und presste sich eine abgenutzte, dunkelbraune Ledertasche vor den Bauch. Sechster Monat, schätzte Daut mit dem Kennerblick des dreifachen Vaters. Er wollte gerade aufstehen, um der werdenden Mutter seinen Platz anzubieten, als er den Judenstern an ihrem fadenscheinigen Mantel sah. Juden war es verboten, in der U-Bahn zu sitzen. Daut schaute auf den Boden zwischen seine Schuhe. Auch alle anderen wendeten den Blick ab. Sogar die Gespräche in der Bahn schienen leiser geworden zu sein.
    Kurz bevor sie den Bahnhof »Märkisches Museum« erreichten, erhob sich ein mindestens siebzig Jahre alter Mann von seinem Sitz, drängte sich durch die im Gang stehenden Fahrgäste Richtung Ausgang und rempelte die Jüdin an, als der Zug abrupt bremste. Er murmelte eine leise Entschuldigung und steckte der Frau einen Apfel in die Manteltasche. Daut hatte die anrührende Szene hilfloser Solidarität beobachtet und hoffte, dass kein Denunziant im Waggon war, der den Wachtmeister aufforderte, gegen den Mann tätig zu werden. Zum Glück schwiegen alle Fahrgäste.
     
    Als Daut im Präsidium eintraf, war Rösen außer sich.
    »Wo hast du gesteckt, Axel? Wie sollen wir mit dem Fall vorankommen, wenn ich ständig hinter dir herlaufen muss?«
    »Ich war auf Streife, wo sonst? Habe dir doch gesagt, dass ich Frühschicht habe.«
    »Und ich habe dir gesagt, dass du zu meiner Unterstützung abkommandiert bist.«
    Daut zuckte mit den Schultern. »Rudat sieht das anders. Er hat meinem Revierhauptmann erklärt, dass ich die Befragungen in der Mordsache gefälligst in meiner Freizeit zu erledigen habe. Der Herr Kriminalrat hat mich wohl immer noch auf dem Kieker.«
    Rösen atmete einmal tief durch und zündete sich eine Zigarette an.
    »Mit Rudat werde ich noch einmal sprechen, aber das ist jetzt egal. Es gibt Neuigkeiten. Ein gewisser Werner Grahn hat heute Morgen seine Frau auf einem Revier in Moabit als vermisst gemeldet. Vom Alter her könnte es stimmen. Ich habe einen Wachtmeister bei ihm vorbeigeschickt, und er hat ihn zu Hause angetroffen. Er müsste gleich hier sein.«
     
    Daut hatte gerade Tschako und Mantel abgelegt, als Werner Grahn das Büro betrat. Er trug einen braunen, gerade geschnittenen Kamelhaarmantel und eine dicke Wollmütze, die er sich hastig vom Kopf nahm. Der rechte Arm steckte in einer Schlinge.
    Nachdem Rösen die Personalien notiert hatte - Grahn war zweiunddreißig Jahre alt, in Werder an der Havel geboren und verheiratet - zeigte Daut auf den Arm und die verbundene Schulter.
    »Schussverletzung?«
    »Granatsplitter. Vier Wochen habe ich damit im Lazarett gelegen.«
    »Und jetzt sind Sie auf Genesungsurlaub?«
    Daut wusste, dass einem verwundeten Soldaten nach vier Wochen Lazarettaufenthalt ein einwöchiger Heimaturlaub zustand.
    »So ist es, Herr Wachtmeister. In ein paar Tagen geht es zurück in den Osten. Vorher wollte ich aber noch meine Frau besuchen, ich war zwei Mal bei ihr, aber sie war nicht zu Hause.«
    Rösen blickte sichtlich irritiert. »Was heißt hier besuchen? Wir sprechen doch von Ihrer Ehefrau, oder?«
    Grahn blickte zu Boden. »Richtig, aber wir leben schon eine Weile getrennt.«
    »Das geht uns nichts an«, sagte Daut, der in Wahrheit brennend an den Gründen für die Trennung interessiert war, aber spürte, dass er im Moment nicht viel darüber erfahren würde. »Aber warum ist es so ungewöhnlich, dass Ihre Frau nicht zu Hause ist? Vielleicht ist sie verreist, raus aus Berlin? Wäre doch verständlich.«
    Grahn schüttelte den Kopf. »Sie kann nicht so einfach wegfahren.«
    »Was soll das heißen?«, fragte Rösen ungeduldig.
    »Nun ja«, druckste

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