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Der Aufbewarier (German Edition)

Der Aufbewarier (German Edition)

Titel: Der Aufbewarier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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Grahn herum, »sie kann die Stadt nicht verlassen. Sie ist Jüdin.«
    Rösen stieß einen leisen Pfiff durch die Zähne aus, den Grahn als Aufforderung nahm, weiterzusprechen.
    »Martha und ich sind schon zehn Jahre verheiratet und haben eine Tochter, Rita. Das Mädchen ist evangelisch getauft, müssen Sie wissen. Nicht dass ich viel mit der Kirche am Hut habe, aber dafür habe ich gesorgt. Die Kleine wohnt bei meinen Eltern in Werder an der Havel, das ist sicherer.«
    Grahn schluckte und presste die Lippen aufeinander, als hätte er jetzt genug gesagt.
    Daut und Rösen warteten ein paar Sekunden, aber als er nicht wieder zu sprechen begann, kamen sie zum entscheidenden Punkt. Rösen fragte so nebensächlich wie möglich: »Hat Ihre Frau besondere Merkmale, die wir in die Vermisstenanzeige aufnehmen sollten? Körperliche Besonderheiten vielleicht?«
    Über Grahns Gesicht huschte ein Lächeln.
    »Sie ist eine schöne Frau. Eine sehr schöne.«
    Daut mischte sich ein.
    »Der Kollege meint eher etwas, das Ihre Frau eindeutig identifizieren könnte. So etwas wie ein Muttermal oder eine Behinderung.«
    Daut hob seine Handprothese hoch.
    Grahn stutzte. Er spürte die unangenehme Wendung des Gesprächs.
    »Doch, so etwas gibt es. Martha fehlt ein Zeh am linken Fuß.«
    Die beiden Polizisten sahen sich an. Daut hob die Augenbrauen und wollte etwas sagen, aber Rösen brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. Er zog die Schreibtischschublade auf und kramte zwei Fotos des Fußes der Leiche hervor. Im Grunde genommen reichte Grahns Aussage, so viele Vermisste mit amputiertem Zeh dürfte es kaum geben. Andererseits konnte ein bisschen mehr Gewissheit nicht schaden. Gerade als Rösen die Fotos vor Grahn auf den Tisch legen wollte, wurde die Tür aufgerissen und Rudat betrat den Raum. Er brauchte zwei Sekunden, ehe er die Situation erfasst hatte, dann platzte es aus ihm heraus:
    »Daut, Sie hier? Hatte ich nicht eindeutig gesagt, dass ich Sie in diesen Mauern nicht mehr sehen will!«
    Rösen stand auf. »Herr Kriminalrat, Sie wissen doch, dass der Wachtmeister Daut vom örtlichen Revier abgeordnet ...«
    Er konnte den Satz nicht beenden, denn Rudat brüllte im Kasernenton:
    »Sie haben anderes zu tun, Wachtmeister Daut. Sie müssen sofort in die Rosenstraße. Einsatz!«

Fünfzehn
     
    Daut war die kurze Strecke vom Alexanderplatz in die Rosenstraße zu Fuß gegangen. Rudat war stinkwütend gewesen und hatte noch hinter ihm hergebrüllt.
    »Bilden Sie sich bloß nicht ein, dass Sie jemals wieder als Kriminalpolizist arbeiten werden. Solange ich hier noch etwas zu sagen habe, können Sie sich das von der Backe putzen.«
    Warum er so eilig in der Rosenstraße gebraucht wurde, hatte Rudat ihm nicht verraten. Der Straßenname kam ihm allerdings irgendwie bekannt vor. Als Daut von der Kaiser-Wilhelm-Straße zum Einsatzort kam, traute er seinen Augen nicht. Ungefähr hundert Menschen, die meisten von ihnen Frauen, standen auf dem Bürgersteig nicht weit von einer Litfaßsäule entfernt, die höchstens zur Hälfte mit Plakaten versehen war. So viele Veranstaltungen, für die sich Werbung lohnte, gab es nicht mehr in der Stadt, also prangten meistens nur Parteiankündigungen und Aufrufe zur Wachsamkeit und Verdunkelung an den Säulen, von denen es in Berlin angeblich dreitausend gab. Wie eine graue Wand standen die Frauen dort in ihren farblosen Mänteln und Hüten, der allgegenwärtigen Uniform der tugendhaften und still leidenden deutschen Frau. Schweigend blickten sie auf ein Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Davor standen drei Polizisten, der Eingang wurde zusätzlich von einem SS-Mann bewacht. Willi Gisch war auch dabei. Als er Daut angetrabt kommen sah, winkte er ihn zu sich.
    »Kommst du auch endlich! Du meinst wohl, du bist etwas Besseres und musst dir hier nicht die Beine in den Bauch stehen.«
    Daut verkniff es sich, auf diese Bemerkung zu antworten.
    Der Ruf einer Frau zerriss die Stille.
    »Gebt uns unsere Männer zurück.«
    Einige Frauen klatschten Beifall. Leise, aber vernehmlich. Sekunden später wieder eine Frauenstimme, diesmal lauter.
    »Wir wollen unsere Männer wiederhaben.«
    Erneut brandete Beifall auf, und jetzt klatschten fast alle Frauen.
    »Was zum Teufel ist hier los?«, entfuhr es Gisch. Bevor Daut etwas sagen konnte, hörte er eine Frau seinen Namen rufen. Er erkannte die Stimme zunächst nicht. Dann rief sie noch einmal.
    »Axel!«
    Daut drehte sich um und sah Carla, die sich aus der

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