Der Aufbewarier (German Edition)
Seite. Er schaute sie konsterniert an, als sie mit der Faust gegen die Tür schlug.
»Warum sagt ihr uns nicht, ob ihr unsere Männer freilasst?«
Wieder schlug sie gegen Tür, diesmal noch fester.
»Warum tut ihr uns das an?«
Sie drehte sich zum SS-Mann um.
»Warum?«
Er wich ihrem Blick aus.
»Schauen Sie mich an, Soldat! Sagen Sie mir, was mit meinem Mann geschehen wird.«
Er schaute zu Boden. Carla blieb wie angewurzelt stehen und starrte ihn an. Endlich hob er den Kopf und flüsterte:
»Ich weiß es nicht.«
»Danke.«
Carla entließ den Wachmann aus ihrer optischen Umklammerung und ging zurück. Sie würde bleiben, wenn es sein müsste, auch über Nacht.
Vierunddreißig
Daut war leicht außer Atem, als sie vor der Tür zu Martha Grahns Wohnung im dritten Stock ankamen. Nachdem Rösen aufgeschlossen hatte, blieb er im Flur stehen, um sich zu erholen. Wie schon beim ersten Besuch vor drei Tagen bemerkte er die schlechte, abgestandene Luft. Er ging ins Wohnzimmer und öffnete ein Fenster. In der Wohnung hatte sich nichts verändert, sie war noch immer peinlich aufgeräumt und klinisch sauber. Allerdings kam sie ihm heute noch ärmlicher vor.
Rösen zog seinen Mantel fester um den Körper.
»Mach das Fenster zu, Axel, hier drin ist es doch schon eiskalt.«
»Was bist du denn für eine Frostbeule?«
Widerwillig erfüllte Daut den Wunsch seines Kollegen, der sich sofort an die Arbeit machte.
»Wo bewahren denn Hausfrauen gewöhnlich ihren Notgroschen auf?«
Daut wurde schmerzlich bewusst, dass er nicht wusste, wo Luise ihr Geldversteck hatte. Sie entfremdeten sich immer mehr. Ein Jahr und bald neun Monate waren sie inzwischen getrennt und hatten sich nur zwei Mal für ein paar Tage gesehen. Bei seinem letzten Besuch hatte Luise auch noch die meiste Zeit geschwiegen. Aus guten Gründen, wie er wusste, aber diese Spannung war bis heute nicht ganz abgebaut. Die Briefe waren nur ein kleiner Trost, und ansonsten hatten sie nur das Lied. Ihr Lied.
Daut und Rösen arbeiteten sich konzentriert durch die Wohnung, zogen jede Schublade auf, sahen in jede Tasse und drehten jede Vase um. Sie fanden nichts von Wert. Keine Geldbörse, nicht eine einzige Münze. Auch im Kleiderschrank fand sich nur das Nötigste für Martha und das Mädchen. Es gab auch kein einziges Spielzeug, als hätte hier überhaupt niemand gewohnt.
»Das bringt nichts.«
Rösen schloss die Schranktür.
»Lass uns noch mal die Runde durchs Haus machen, vielleicht kann ja irgendein Nachbar eine brauchbare Information liefern«, schlug Daut vor.
Mit einem Seufzer stimmte Rösen zu.
Sie klingelten an jeder Haustür. Oft wurde ihnen nicht geöffnet, aber selbst wenn jemand zu Hause war, fertigte man sie meistens kurz ab, wenn sie fragten, ob Martha Grahn regelmäßig zu Hause war und ob sie häufiger Besuch bekam.
»Was geht uns die Jüdin mit ihrem Balg an?« - »Wir kümmern uns nicht um andere, haben mit uns selbst genug zu tun.«
Sie hatten die Hoffnung schon fast aufgegeben, als sie in der Erdgeschosswohnung klingelten. »Ida Frowein« stand über dem Klingelknopf. Es dauerte eine Weile, bis die Tür von einer alten Dame geöffnet wurde. Sie lächelte die Polizisten freundlich an. Nachdem sie sich vorgestellt hatten, bat sie Daut und Rösen in die Wohnung.
»Ich kann nicht so lange stehen, wissen Sie.«
Sie schlurfte in Pantoffeln voraus ins Wohnzimmer. Der Raum war mit nicht zueinander passenden Möbeln vollgestopft, überall lagen aufgeschlagene Bücher und Zeitschriften herum. Ida Frowein setzte sich in einen breiten Ohrensessel und bat ihre Gäste, auf dem Sofa Platz zu nehmen.
Daut eröffnete das Gespräch.
»Sie kennen doch bestimmt Ihre Nachbarin, die Frau Grahn?«
»Ach, die Martha, das ist so eine nette Frau. Immer ein freundliches Wort auf den Lippen. Immer hilfsbereit. Sie holt oft für mich ein, wenn ich was brauche, ich kann ja nicht mehr laufen. Was wollen Sie denn von ihr? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie etwas angestellt hat.«
»Sie hat nichts angestellt, Frau Frowein, wir müssten sie nur etwas fragen.«
Rösen nickte Daut zu. Es war besser, der alten Dame die Wahrheit zu verschweigen. Wenn sie erfuhr, was ihrer Nachbarin zugestoßen war, würde sie vermutlich nichts mehr sagen. Jetzt schlug sie sich mit der Hand vor die Stirn.
»Was bin ich doch für ein Dussel. Da bekomme ich Besuch von so charmanten, jungen Herren und biete nicht einmal etwas an. Herr Wachtmeister, wären Sie so gut, die
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