Der Aufbewarier (German Edition)
möglicherweise haben wir es mit einem stinknormalen Mord aus Habgier zu tun. Fragt sich nur, wer der Aufbewarier von Martha Grahn war.«
Rösen überlegte höchstens eine Sekunde.
»Ich tippe auf ihren Mann. Die Alte hat doch erzählt, dass Martha das Vertrauen verloren hatte und sich nach einem anderen Aufbewarier umsah. Das passt doch perfekt. Nachdem sie die Liaison mit Quint eingegangen ist, fordert sie ihre Sachen von Werner Grahn zurück. Der weigert sich, weil er meint, als Ehemann und Vater ihrer gemeinsamen Tochter wenigstens auf einen Teil der Sachen Anspruch zu haben. Außerdem ist ihm seine jüdische Frau eh ein Klotz am Bein, schließlich hat er ja eine neue Liebe. Was liegt näher, als die Ex umzubringen.«
Rösen schlug mit der flachen Hand aufs Lenkrad und sah Daut strahlend an.
»So löst man Mordfälle, Herr Wachtmeister.«
Daut überhörte die Spitze und sagte betont sachlich:
»Ich weiß nicht so recht. Ich nehme Grahn ab, dass er seiner Tochter die Mutter erhalten will, wo er selbst Tag für Tag an der Front in Lebensgefahr ist. Zu schnell könnte aus dem Kind eine Waise werden.«
»Das ist doch sentimentaler Quark, Axel! Hier geht es um Geld, Zaster, Knete.«
Rösen rieb Daumen und Zeigefinger aneinander.
»Wir nehmen uns den Grahn jetzt richtig vor. Am besten hältst du dich aus der Vernehmung raus, bevor wieder die Vatergefühle mit dir durchgehen.«
Es war wie verhext, auch diesmal trafen sie nur Alma Winkelbauer an, Werner Grahn war wie immer, wenn sie ihn vernehmen wollten, außer Haus. Rösen ließ sich nicht abwimmeln, vielleicht konnte man auch der Freundin interessante Informationen entlocken.
»Wie sieht es eigentlich bei Ihnen finanziell aus? Ihr Freund Werner muss doch auch noch für seine Tochter sorgen.«
»Auf Rosen sind wir nicht gebettet, der Werner und ich. Als Friseuse verdient man nicht viel, und das Trinkgeld sitzt heute auch nicht mehr so locker wie früher. Aber was soll’s, wir kommen rum, die Wohnung ist eingerichtet, und zu kaufen gibt es eh nichts.«
»Sie haben keine Wünsche? Das kann ich gar nicht glauben, so eine attraktive Frau wie Sie.«
Alma Winkelbauer fuhr sich mit der Hand durch die Haare und machte einen Schmollmund.
»Ach, Herr Kommissar, das Wünschen haben wir uns doch alle abgewöhnt in diesen Zeiten, oder? Man nimmt, was man kriegen kann, und ist damit zufrieden.«
»Und wie sieht es mit Kindern aus?«
»Erst nach dem Endsieg. So lange der Werner im Krieg ist, auf keinen Fall.«
Rösen ließ nicht locker.
»Da wäre es doch gut, wenn man ein bisschen Geld auf der hohen Kante hätte, um sich später, also nach dem Endsieg , etwas leisten zu können. So jung, wie Sie noch sind, geht das Leben dann erst richtig los.«
»Hoffentlich behalten Sie recht, und der Krieg ist zu Ende, bevor ich eine alte Schachtel bin. Aber wovon sollen wir denn sparen?«
»Vielleicht hat der Werner ja irgendwelche Ersparnisse?«
»Woher sollen die denn kommen, Herr Kommissar?«
Daut und Rösen sahen sich erschrocken um. Werner Grahn hatte die Wohnung unbemerkt betreten und stand in der Wohnzimmertür.
»Glauben Sie etwa, dass wir an der Ostfront Reichtümer erwerben? Das Einzige, was wird dort in Hülle und Fülle geschenkt bekommen, sind Erfahrungen. Und Albträume.«
Rösen wollte antworten, aber Daut hob die Hand.
»Wissen Sie, was ein Aufbewarier ist?«
Grahn schien überrascht von der Frage und zögerte ein paar Sekunden, eher er antwortete.
»Natürlich weiß ich das, Martha war schließlich wie besessen von der Idee, dass sie ihre Habseligkeiten einem vertrauenswürdigen Menschen zur Aufbewahrung geben müsse für den Fall, dass man auch sie abholte wie ihre Eltern. Ich habe ihr zwar wieder und wieder versichert, dass ich sie niemals im Stich lassen würde und dass sie auch durch Rita geschützt sei. Sie hat mir nicht geglaubt. Nachdem ihre Eltern in den Osten gebracht worden waren und sie seit Monaten keine Nachricht von ihnen hatte, steigerte sie sich immer mehr in ihre Angst hinein.«
Grahn löste sich vom Türrahmen, an dem er sich festgehalten hatte, und setzte sich neben seine Freundin. Leise und mit gesenktem Kopf setzte er hinzu:
»Manchmal denke ich, dass sie recht hatte.«
Rösen übernahm die Befragung erneut.
»Und deshalb hat sie Ihnen die Goldmünzen und den Schmuck ihrer Eltern gegeben!«
»Nein, das hat sie nicht. Hätte sie es nur getan, vielleicht lebte sie noch, aber sie hat Alma nicht getraut.«
Alma schnaubte
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