Der Aufbewarier (German Edition)
Keksdose zu holen?«
Sie deutete auf den massiven Eichenschrank. Während Daut ihrem Wunsch nachkam, plapperte sie weiter.
»Die Kekse hat mir meine Tochter geschickt. Sie wohnt in Königsberg, da scheint es noch gute Butter und alles andere zu geben, was man zum Backen braucht. Na ja, sie hat ja auch einen reichen Mann geheiratet. Rittergut, wenn Sie wissen, was ich meine.«
Kaum hatte Daut wieder Platz genommen, wandte sie sich an Rösen.
»Wir können die Plätzchen doch nicht so trocken runterbringen. Ich habe da noch etwas echten Bohnenkaffee. Wenn ich Sie bitten dürfte, Herr Kommissar. Ihr Kollege kommt mit der Mühle bestimmt nicht so gut klar.« Dabei deutete sie auf Dauts Prothese.
»Alles, was Sie brauchen, steht auf dem Küchentisch.«
»Für Bohnenkaffee tue ich fast alles«, sagte Rösen lachend, und ging in die Küche.
Während man das Mahlgeräusch hörte, fragte Daut.
»Hat Martha Grahn hier ständig gewohnt? Die Wohnung ist so ordentlich und sauber, und wir haben nicht eine einzige Mark gefunden.«
»Sie war halt eine sehr ordentliche, junge Frau. Und Geld hatte sie keins, Sie wissen doch, wie arm die Juden dran sind.«
Die alte Dame erhob sich leicht im Sessel und rief in die Küche.
»Alles in Ordnung, Herr Kommissar?«
Nachdem Rösen bestätigt hatte, dass er den Kaffee in fünf Minuten servieren würde, erzählte sie weiter.
»Martha hatte von ihren Eltern ein paar Goldmünzen und etwas Schmuck bekommen. Die Ärmsten sind ja weggeschafft worden. In den Osten, heißt es, aber was weiß man schon. Die Sachen hat sie aber in Sicherheit gebracht.«
»Wissen Sie, wem Martha Grahn ihre Wertsachen anvertraut hat?«
Bevor sie antworten konnte, kam Rösen mit einem Tablett in der Hand aus der Küche. Der Duft von frisch gebrühtem Kaffee erfüllte sofort den ganzen Raum. Ida Frowein schnüffelt mit erhobener Nase.
»Herrlich! Sie scheinen etwas vom Kaffeekochen zu verstehen, Herr Kommissar.«
Nachdem alle drei den ersten Schluck getrunken hatten, nahm Daut den Gesprächsfaden wieder auf.
»Also, wem hat Martha Grahn ihren Schmuck und die Goldmünzen gegeben?«
»Das weiß ich nicht, Herr Wachtmeister. Sie hat aber oft von ihrer Angst gesprochen, eines Tages selbst abgeholt zu werden wie ihre Eltern. Zum Glück hätte sie aber einen Aufbewarier. Wissen Sie, was das ist, meine Herren?«
Rösen und Daut schüttelten den Kopf, obwohl beide eine Ahnung hatten.
»Ich kannte den Begriff auch nicht, aber Martha hat es mir erklärt. Viele Juden haben arische Freunde und Bekannte, denen sie ihre Wertsachen zur Aufbewahrung geben für den Fall, dass sie abgeholt und in ein Lager gebracht werden. Wenn der Spuk mit diesen Hitlerleuten vorbei ist, holen sie sich ihr Eigentum zurück. Optimisten, diese Juden, nicht wahr?«
Ida Frowein lächelte Daut an, der noch einmal nachfragte.
»Und sie wissen nicht, wer Martha Grahns Aufbewarier ist?«
»Nein, Herr Wachtmeister. Aber Martha war in der letzten Zeit wegen irgendetwas besorgt. Sie hat mich kürzlich gefragt, ob ich bereit wäre, ihre Sachen aufzubewahren.«
»Und«, mischte sich Rösen ein, »was haben Sie geantwortet?«
»Natürlich würde ich ihr helfen. Aber ich habe ihr auch zu bedenken gegeben, dass ich alt bin und es keineswegs feststeht, dass ich das Ende dieser Hitlerei noch erlebe. Sie sollte sich besser einen jungen Aufbewarier suchen.«
Fünfunddreißig
»Was sind wir doch für Trottel, suchen nach einem Motiv und vergessen das Wichtigste.«
Daut schlug die Autotür mit Schwung zu. Ida Frowein hatte sie nur ungern gehen lassen und ihnen nachgerufen, sie sollten Martha Grahn ausrichten, dass sie immer auf eine Tasse Kaffee vorbeikommen könne.
Rösen startete den Wagen.
»Wie heißt Paragraf 1 des Lehrbuchs für kleine Kommissare: Folge zuerst der Spur des Geldes.«
Daut drehte die Seitenscheibe einen Spalt herunter, er brauchte dringend frische Luft.
»Bei einer alleinerziehenden jüdischen Mutter denkt man halt an alles, nur nicht an Geld.«
»Was die Juden angeht, sehen das die meisten Deutschen aber anders, mein Lieber.«
Daut winkte ärgerlich ab.
»Wir sollten uns vordringlich darum kümmern herauszufinden, wem Martha Grahn ihre Wertsachen anvertraut hat. Wie hat die Alte diese Leute noch mal genannt?«
»Aufbewarier«, antwortete Rösen wie aus der Pistole geschossen. »Ein passendes Wort, findest du nicht?«
»Passend und erschreckend zugleich. Aber immerhin hilft uns die Information, denn
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