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Der Aufgang Des Abendlandes

Titel: Der Aufgang Des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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veredle den Charakter
und stärke die geistige Gesundheit. [Fußnote]»Macht mich unfehlbar in Ernährung, so stelle ich mich an
die Spitze jeder Unternehmung«, solche Yankeeflausen stimmen zur Legende eines »heitern« Hellenismus und
griechischer Idealstatuen, als ob Klingers Imperator den physischen Beethoven wiedergäbe. Silentyp, Sokratesbüste,
Äskulapanbetung: Häßlichkeit und Krankheit so verbreitet wie heut! Daß der Mann sich nicht selber
auslacht! Walt Witman ein biologischer Mustermensch? Warum dann homosexuell und hinterwäldlerisch formloser
Nachtöner V. Hugoscher Tiraden, während der schwächliche Poe wenigstens ein glänzender Raffineur wurde?
Ja, so müßte es sein, wenn banausischer Rationalismus Recht behielte, doch dies berührt nie den Kardinalpunkt
der Lebenskraft. Der Italiener Cornaro, mit 40 Jahren ein Wrack, brachte es durch Diät auf 100 Jahre, stellte aber
Weintrinken nie ein, arges Rauchen narkotisierte nicht die deutsche Energie, die Briten wären längst ausgestorben,
wenn Fleischgenuß, Alkohol und Tee im Überfluß den vernichtenden Wirkungen entsprächen, wie
wissenschaftliche Messungen sie ausklügelten. Vielmehr tritt durch Gewohnheit Immunisierung ein, wir erachten Reizmittel
als Gegengifte gegen Zersetzungsstoffe der Mundhöhle und Speiseröhre. Uns scheint schädlicher, daß man
nicht eigenem chemischem Instinkt gehorcht und sich stereotyper Beköstigung unterwirft. Im übrigen warfen Smiles
und seine Gemeinde »Wie werde ich energisch« ein falsches Pathos in den öden Erwerbskampf, doch selbst
füchsisch-wölfische Schläue eines Rockefeller paart sich mit kränkstem Magen, die meisten höheren
Energetiker haben schlechte physische Ausstattung, schon dem alten Voltaire entging nicht die Logik, daß ein guter
Magen keinen guten Intellekt bedinge. Ein »schlechtes« Herz müßte dies Prädikat sowohl als
Blutpumpe wie als Gesinnung verdienen, doch die genialen Ethiker Paulus und Franz v. Assisi waren herzkrank, Plato und
Leonardo, die ethisch Genialen, so stattlich und gesund, wie jene kränklich und unansehnlich. Darwin konnte mit Pope
»that long disease my life« beklagen; der Tapferste der Tapfern, dem es nur unter Kanonenkugeln wohl war, Wilhelm
III., gab sozusagen täglich den Geist auf und sein feldherrlicher Gegner Duc de Luxembourg war ein buckliger Zwerg.
Überall zwingt starke Psyche den Leib in ihre Gewalt, deshalb ist alles Geniale abnorme Lebenskraft, der nervöse
Boxer Byron war im Grunde auch physisch ein Gigant neben Preisboxer Jackson. Geistige Arbeit verbraucht unendlich mehr Blut
als körperliche, kann nur von riesiger Energetik geleitet werden. Körperliche niedere Bewegung nutzt die Organe ab
und unterbindet durch geistige Trägheit die wahre Lebensbewegung, deren Rhythmus lebenserhaltend wirkt. Freude am
Schönen und Edeln, Begeisterung, Gottvertrauen sind gewaltige Heilmittel, ohne sie alles widerliche Bemühen um den
Kadaver nur Anlaß zu Blutstockung. Krankheiten entstehen durch die Unfähigkeit, das Blut durch psychische
Gegengifte zu purgieren, der miesepetrige Malade imaginaire des Körpers ist ein Geisteskranker, der seine werte
Nasenspitze nicht über eigenen Dunst erhebt. Alle niedrigen Regungen sind gründliche Selbstvergifter und entbehren
jener unsichtbaren Heilmittel, die dem Körper von der Psyche gespendet wurden. Viele Funktionen bleiben einem Verworn,
Kronzeugen und Nothelfer Haeckels, durchaus verborgen: Blutbefehle des Unbewußten an die Nerven, deren Willenswirkung
der ganze Organismus spürt. Fisher schwärmt von Zukunftsriesen, gleichgestellt mit »Shakespeare, Homer,
Phidias, Michelangelo, Beethoven, Bach« durch prächtige Verdauung und mächtigen Brustkasten! Das sind
Haeckels echte Kinder, echtes Haeckelichenblut... nur Heines Ironie könnte Pfeile schnitzen und vergiften, um die ewig
neuwachsenden Köpfe der Aufklärungshydra abzuschießen... doch ein Feuerbrand wäre besser, mit denen ein
Herkules sie ausbrennt.
    Der Prozeß war stets der gleiche: sobald die Kirche jede innere Verbindung mit dem Unsichtbaren verlor und nur
Sichtbares ihrer Formeln aufdrängte, verlor sie sich ins Reich der Lüge; sobald Wissenschaft die Psyche abschwor
und das Sichtbare als Götzenbild errichtete, verfiel ihr ursprünglicher Wahrheitseifer in Unwahrhaftigkeit.
Tridentiner Dogmen sind harmlos neben materialistischen, erstere mirakeln nur ins Sichtbare, letztere möchten das
Unsichtbare vergewaltigen,

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