Der Aufgang Des Abendlandes
durch okkultistische Disziplin verdienen kann! Wendet man hingegen die Yogilehre von
steter Verwirklichung der Gedanken in sichtbaren Mentalbildern aufs rein Seelische an, so erscheint Shakespeare als rein
spiritualistisches Phänomen. Man gewinnt nämlich den Eindruck, als ob seine Spiritkraft einfach seine Gestalten als
bestimmte Lebewesen denkt und sie dann von sich abstößt als lebendig herumlaufende, die von selber ihr Drama
spielen, ohne daß ihr Schöpfer sich weiter Mühe zu geben braucht. Doch wem sich solche Mahatma-Art
enthüllt, fand dafür nicht »wissenschaftliche« Erklärung, welche Atome sich zusammenfügten,
um diesen Schaffer aus dem Nichts zu erschaffen! Nur als Wiedergeburt einer dämonisch supranaturellen Psyche ahnt man
Phänomenologie verborgener Kraft. Das ist gewiß Natur im höchsten Sinne, Naturgeist, doch fremd den
Kräften dessen, was man hypothetisch Natur nennt. Energetik eines alles Sichtbare und Unsichtbare durchdringenden
Weltvitalismus sehen wir hier zu verkörpert Spirituellem gesteigert, das wir vollständig wahrnehmen, also die
»Macht des Geistes« an einem keineswegs okkulten Beispiel, ohne aber damit irgendwie die unsichtbare Urkraft zu
fassen, die dies Phänomen ermöglicht.
Richtig erkannte schon der alte Klencke, daß nicht Naturwissenschaft an sich gottverlassen sei, sondern
Geistespöbel sie mit dem eigenen Materialismus infizierte und in Dienst stellte. »Wenn man in Märchen und
Gedichten erkennt die wahren Weltgeschichten, dann flieht vor einem geheimen Wort das ganze verkehrte Wesen fort«
(Novalis). Dies geheime Wort hörte das verkehrte Wesen noch lange nicht. »Leben ist Anfang des Todes, lieben um
des Todes Willen da.« »Man sollte die Sachen so betrachten, wie man sein Ich ansieht, als seine eigene
Tätigkeit.« »Der Mensch vermag jeden Augenblick ein übersinnlich Wesen zu sein«. Tiefer als
solche Novalismen scheint Schellings Definition, daß der Ichgeist als Denken und das Ich selbst eins seien, d.h. das
Ich nur das sich zum Objekt werdende Denken. Für Fichte ist das Ich selber eine schöpferische Tätigkeit, die
sich unserm Bewußtsein entzieht, während es nur auf dies Ergebnis des Denkens als Ich aufmerkt. Es ist nichts
anderes, wenn Goethe sagt: »Farben sind Taten des Lichts.« Materiemonismus von Lyell bis Haeckel, dessen
Malersinn Steiner rühmt (Vortrag Sept. 1921), sieht nicht diese unmechanische selbständige Tätigkeit. Alle
Versuche Steiners, Haeckel für seine Anthroposophie zu retten, laufen auf Begriffsverwirrung hinaus. Steiner lehrt
»Freiheit«, insofern ihm Handlungsimpulse übersinnlich erscheinen, das sind sie aber nie in dieser
Erdenspanne. Selbst wenn Ichgefühl ein übersinnlicher Denkakt wäre, blieben Impulse sinnlich gebunden. Goethe
hält Kunst für würdigste Auslegung des Naturgeheimnisses, Steiner für die drei gleichwertig einzigen
Erkenntnismethoden Imagination, Inspiration, Intuition; doch das ist falsche Dreiteilung, denn Inspiration und Intuition sind
erst Töchter der Imagination, wie soll aber beim Durchschnittsmenschen genügende Imagination herkommen und wie kann
Haeckel Seelisches in untersten Zellen aufstöbern, wenn solche exklusiven Ansprüche gestellt werden! Dann
würden zuletzt nur noch Dichter als Erkennende übrigbleiben! Obwohl Denken selber ein Dichten, ist
›seelisch‹ nicht so eng begrenzbar. Daß Goethes »gegenständliches Denken« (Heimroth) die
Gestalt, Haeckel die Farbe als Kunstform der Natur ansahen, zeigt freilich Malersinn, naturkünstlerisch anzuschauen,
doch wer der Natur ein Kunststreben zuspricht, verleugnet damit notwendig den Mechanismus, den doch Haeckel vertritt. Das
seelisch Künstlerische der Naturformen anerkennen, ist für Materialismus ebenso sinnlos wie Verkuppelung kalter
Forschungsdisziplin mit Steiners schwärmender »Geisteswissenschaft«. –
Die Vorstellung, daß die gesuchte vierte Dimension nichts anderes als Zeit und daß Zeit eine Art Raum ist,
kann nicht von der Hand gewiesen werden. In welcher Dimension bewegt sich der Barometer, in den drei Attributen des Raumes:
Länge, Breite, Dichtigkeit? Offenbar nicht, sondern die Bewegung, äußerlich Raumeindrücken Untertan,
gleitet auf und ab einer Zeitlinie, jener unsichtbaren Dimension, innerhalb welcher außerhalb der Raumbegriffe die
Psyche denkt. Vergleiche Wells geistvolle Schnurre »Die Zeitmaschine«, denn Raumbegriffe entstehen nur durch
Bewegungen der Zeit. Nie kann aber
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