Der Aufgang Des Abendlandes
können, wie den
schopenhauerisch mißverständlichen Willen zum Sein. Denn wenn der Säugling schreiend und wimmernd das Sein
begrüßt, so deutet dies nicht auf Daseinswunsch, der alles organisch durchziehende Trieb ist mehr
Selbsterhaltungsnotwehr; Descartes' Cogito ergo sum, worauf solche Darlegung hinausliefe, ist nicht das wahre Primäre,
sondern die Empfindung »ich bin«, vermöge deren man das eigene Körperliche und nach und nach die
Außenwelt als außer uns liegend empfindet. Man identifiziert sich nicht damit, fühlt sich, wie R. richtig
sagt, als »etwas prinzipiell Verschiedenes«, das sich unabhängig halten möchte. »Wir alle wollen
leben, uns ernähren, bewegen und fortpflanzen«, Menschen, Tiere, Pflanzen, und da alle physisch das gleiche wollen
in der gleichen Außenwelt, müssen alle physisch gleich konstruiert sein. »Tische, Stühle, Bänke
haben nicht deshalb eine gleiche Konstruktion, weil sie voneinander abstammen«, sondern weil sie als Stützapparate
dem Gesetz der Schwere entgegenwirken sollen. Dies hinkende Gleichnis erfüllt trotzdem seinen Zweck, indessen werden
Tische und Stühle vom Menschen zweckmäßig konstruiert, hingegen bleibt eben ungewiß, ob Lebewesen sich
selber konstruieren oder die Natur dies besorgt. Ersteres Abstrusere lehrt die Wissenschaft, hier unbewußt
metaphysisch, nach unserer Erkenntnislehre trifft beides in sich zusammen. Wir möchten daher nicht R. beipflichten,
daß der menschliche Wille genüge, um formbildend und organisierend den Stoff zu gestalten, wobei er sich zur
Unzeit auf das »Stigma« religiöser Ekstase und die »ideoplastischen« Spiritmedien beruft. Denn
ohne geheime Beihilfe unsichtbarer Kräfte käme auch derlei nie zustande, Du Prel folgert vorschnell, daß die
dem Medium innewohnende Kraft, Phantomkörper zu bilden, »offenbar dieselbe« sei, die auch den Körper
des Mediums bildete. Das ist keineswegs offenbar, und R. muß hier dem Einwand begegnen, daß der
Menschenkörper zum Ausreifen 20 Jahre fordere, während die Phantome oft nur minutenrasch gebildet würden. Das
komme von der komplizierten Aufgabe eines Dauerkörpers, während Phantomkörper für kurze
Augenblickswirkung berechnet seien. Wer sagt ihm, daß dies Phantome seien? Keiner; stoffliche Astralkörper sind
als »mindstuff« genau so real wie der Materieleib, doch die Form, die sie für unser Auge annehmen,
hängt von unserer subjektiven Schaukraft ab, beides läßt sich nicht vergleichen, weil verschiedenen
Sphären angehörig. Es geht zu weit, nur den Eigenwillen als Körperschöpfer zu erachten, dazu bedarf es
der Beihilfe unsichtbarer Allgewalt. So beruht Farbenanpassung auf natürlicher Zwangsfärbung durch Umgebung und
Bestrahlung, der bunte Dschungel färbt den Tiger bunt unter gleicher Sonne, nicht diese »lebendige Falle«
sich selbst. Komischerweise sehen die Evolutionsfanatiker nicht, daß sie mit ihrer Eigenanpassung schlechterdings einen
psychischen Willensakt betonen, und einem solchen schon materielle Wirkung zuschreiben, also den Begriff
»mechanisch« ins Psychische umdeuten. Wir denken hier sozusagen mechanischer als sie, indem wir Anpassung und
Natureingriff für etwas spontan Zusammenfallendes halten. Gleichwohl bleibt bestehen, daß selbstherrliche Psyche
allein die Erscheinungen erklärt, freilich nicht die einer irdischen, sondern transzendenten, nach Karmabeschluß
handelnden. Da die erste Empfindung des Lebens nicht das Körperliche, sondern das Lebensgefühl selber betrifft, so
ist nur dieses das Unbedingte, das Körperliche Bedingende. Überhaupt verirrt man sich immer, wenn man bei
Biologischem den Begriff »mechanisch« falsch buchstabiert. Jemand will neuerdings den Ursprung der Sprache aus
unwillkürlichen Naturlauten herleiten, andere halten Sprechen für Nachahmung der Vogelstimmen. Das möchte
angehen, zumal Volkssagen stets von Menschen reden, die eine Vogelsprache verstehen, hiernach wären Rabe und Papagei des
Menschen Sprachlehrer! Aber war deren Plappern das Primäre? Der fabelhafte Vogel Greif oder Phönix, der die
Menschen belehrt haben soll, ist nur Phantasiegeschöpf, dessen Skelett im Illusionsreich gefunden werden könnte.
Doch bezweifeln wir nicht, daß körperliche Anstöße wie Töne beim Essen, Laufen, Springen, Schmerz-
und Lustschreie den Menschen aufmerksam machten, daß er redend sich mitteilen solle, weil dies zweckmäßig
sei, wie auch für die Vögel. Doch was ist dies als
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