Der Aufgang Des Abendlandes
Beweisstück für Umwandlung irgendeiner Reptil- in eine Vogelart, scheint nur für menschliche Auffassung das
Merkzeichen einer Verbesserung. Die Schlange fühlt sich in ihrer Haut so wohl wie die Amsel, möchte sicher nicht
mit ihr tauschen, übrigens hat sie musikalische Instinkte und galt bei Naturvölkern für weise. Nur der aus ihr
angeblich evolutionierte Condor wetteifert mit ihr in Grausamkeit, die Aviatik muß aber ein schlechtes Handwerk sein,
das seinen Mann nicht ernährt, denn die Vögel siedelten sich angeblich als seßhafte Erdbürger an und
näherten sich als Säugetiere dem Menschen? Welche Ehre! Nashorn und Flußpferd und andere ungeschlachte
Vorweltler schritten fort über Schwalbe und Storch? Gefräßige Dummheit der einen und bedächtige Klugheit
der andern blieben bis heute unverändert. Die Konstruktion des Vogelleibs ist feiner als der reichlichere Knochenbau der
Säugetiere, die oft auch größere Ernährungsschwierigkeiten und mehr Feinde und Krankheiten haben, daher
sicher nicht das bessere Teil erwählten. Deshalb plumpsten sie manchmal ins Wasser, wo sie sich aber so wenig
anpaßten, daß sie warmes Blut behielten und Junge säugten. Die kluge (wenn gezähmt, anhängliche)
Fischotter ist eine Art Katze, das Walroß nach dem Schädelbau eine Art Hund, weder der Sturzbach noch das wilde
Meer änderten ihr wahres Wesen. Das Mammut wanderte in den Ozean aus oder wohl richtiger der Elefant, dessen Rüssel
der Fontäne gleicht, die der Wal aus seinen Nüstern schießt. Der sanfte nachdenkliche Großwal gleicht
dem indischen, der kleinere bösartige Schwertwal dem afrikanischen Elefanten, so blieb bis in jede Eigenheit die
Konstante des Wesens. Bei der Eidergans erinnert nur ihr Trangeruch an ihren Meeraufenthalt, der Albatros lebt fast
beständig auf den Wogen, ohne je seine Vogelnatur zu ändern. Wie viel wahrscheinlicher, daß Wasservögel
aus Futtergründen sich zu halben Amphibien machten, als daß sie sich vom Amphibienreich zu Fliegern aufschwangen!
Daß ungebrauchte Organe ihre Gebrauchsfähigkeit verlieren, einseitig ausgebildete den Vorrang gewinnen, ist wieder
eine Selbstverständlichkeit: Ein Mensch, der nie seine Beine bewegt, würde das Gehen verlernen. Aus solchen
einfachsten Kausalitäten macht man Evolutionsprinzipe.
Alle Arten sind derart beständig, daß Verpflanzung einer Fauna in andere Weltteile nur ganz unerhebliche
äußere Merkmale ändert, Gleiches trifft für jede Flora zu. Aufwärtszüchtung des Hundebegriffs?
Mancher ruppige Affenpinscher steht psychisch höher als reinrassige Doggen, dem Windhund (siehe Friedrich d. Gr.) werden
gleich hohe Eigenschaften zugesprochen wie dem Spitz, dessen gewölbter Schädel so sehr vom flachen Reptilkopf des
Windhunds absticht. Überhaupt spottet das Psychische meist äußerer Merkmale, niemand würde aus dem
Pferdeschädel auf die von Anatomen bewunderte Gehirnstruktur schließen, während die Elefantenstirn schon mehr
zu bedeutender Sagazität zu passen scheint, die Natur bindet sich an keine Regel. Auf menschliche Wahrnehmung darf man
sich so wenig verlassen, daß die »falsche Katz« sich im deutschen Volksmund umtreibt, doch selbst die
Großkatzen sind, wenn gezähmt, ohne Falsch und Arg, dem Menschenfreund treu ergeben, bei Hauskatzen wechseln
schöne Wölbung oder zurückfliehende Flachheit der Stirn, was sich stets mit dem Ausdruck treuherziger
Freundlichkeit oder scheuer Bösartigkeit deckt gemäß der erfahrenen Behandlung. Eine Katze mit
Verbrecherphysiognomie trägt meist ihre Leidensgeschichte auf der Stirn, eine andere gutbehandelte blickt mit treuen
offenen Augen. Das radikal Böse ist im Tierreich viel seltener als beim Menschen, doch psychische Individualisierung bei
höheren Tieren nicht geringer. Überall beobachten wir nur Konstante der Art, dagegen Variabilität des
Individuellen, was sich beides mit darwinistischer Mechanistik nicht verträgt.
Im »Lehrbuch der Zoologie« von O. Schmid 1906 werden Schimpanse und Gorilla mit wenigen Worten abgetan, der
Orang hingegen ausführlich geschildert, vielleicht aus Ehrfurcht vor dem Duboisaffen, da dies Lehrbuch natürlich
biologisch arbeitet. Dies Ungeheuer, vor dessen Gebrüll der Tiger ausreißt, soll laut Wallace Krokodile und
Tigerschlangen zerreißen und totbeißen, wenn sie ihn belästigen, scheint aber an seiner angeblichen
Menschwerdung kein Gefallen gefunden zu haben, es blieb allzeit ein richtiggehender Affe. Wir
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