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Der Aufgang Des Abendlandes

Titel: Der Aufgang Des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Lebenserfahrung abschleift und unablässig geistiger Stoffwechsel durch immer
neue Nahrungszufuhr das Wissen vermehrt und formale Abrundung fördert, diesen natürlichen Prozeß darf man
nicht mit wirklicher Vergrößerung und Verbesserung verwechseln. Lear, Hamlet, Macbeth sind umfassendere Visionen
als Romeo, das Genie aber ist nicht mal relativ verschieden, der ältere, gereiftere Shakespeare hätte vieles in
diesen Jugendwerken nicht mehr schreiben können.
    Huxley feiert beredsam, wie sich der Embryo aus sich selbst entwickelt, doch tut er dies wirklich? Er selbst gibt zu, es
sei als ob die Striche eines Zeichners sich zu einem Konterfei zusammenfügten. Ganz recht, übergeordnete Psyche
zeichnet dem Embryo die Gestalt vor. Täglich erweckt jedes Zeichen der Natur gleiches Staunen, die mit Pflanzen
angestellten Experimente beweisen deren eigenen Energiewillen, verbunden mit ungemeiner Verständigkeit, Samenkeime
bewegen sich selbsttätig im Wasser wie Insekten. Allgegenwärtiger Wille bringt notwendig Veränderungen mit
sich, was man ohne weiteres Entwicklung nennt, als ob Verwandlung der Kohle in Diamanten eine Verbesserung wäre. Wie man
den künstlichen Begriff »Nichts« gar nicht plastisch fassen kann, so führt das ewige Etwas, in dem kein
Nichts möglich ist, durch ewige Bewegung sowohl zu Veränderung als Vermehrung. Das Moneron reproduziert seine
Einzelle sofort durch Teilung, Amöben wechseln beständig die Gestalt, sogenannte Cilia der Schwämme sind
ehrwürdige Verwandte ähnlicher Cilia in tierischen Eingeweiden, Polypen können sich in eine Fischgattung
verwandeln. So wird Transformierung das gleiche Naturbedürfnis wie Atmung, Ernährung, Zeugung, denn jede Arbeit
verändert und vermehrt, fügt etwas hinzu, was noch nicht da war, deshalb muß ständige Arbeit der Zellen
neue Organe und die der Organe neue Gebilde schaffen. Solche natürliche Erkenntnis kann unmöglich etwas Neues sein,
obschon wir unsern obigen Satz in so knapper Klarheit noch nirgends formuliert fanden. Die ältesten Yogi übernahmen
ihre »Darwinische« Weisheit aus viel älteren Quellen, als der Mensch noch inniger im Naturganzen lebte, mit
leiblichen und Geistesaugen mehr sah als der bebrillte Gelehrte. Nach indischer Art paukte man den Asiaten diese Lehre durch
unablässige Wiederholung so ein, daß sie sich baß verwunderten, als Europa im 19. Jahrh. so Uraltes als
Neuentdeckung begrüßte. Doch die Yogi nannten diesen ewigen Wechsel »Entfaltung«, was ganz anders
lautet als »Entwicklung«; erst heute adoptierte ihre europäische Propaganda sehr zu ihrem Schaden das
Schlagwort Evolution im Sinne eines Aufwärts. Wir sind nur einverstanden mit »Entfaltung«, wie die
Urweisheit es nur verstanden wissen wollte, denn ihr Grundgesetz ist Gleichmäßigkeit in Einheit alles Seins.
Veranschaulicht sich aber das Unsichtbare gleichmäßig in allen Wechselformen, so sind diese alle gleichwertig ohne
Auf- und Abwärts. Des Menschen innere Organe Leber, Magen, Herz arbeiten unsichtbar ihm unbewußt, ohne sie
wäre aber seine physische Existenz unmöglich. Wie darf also sein Bewußtsein sich einbilden, daß es
über sein unbewußtes Doppelleben etwas aussagen könne! Alles, was wirklich wirkt, vollzieht sich unsichtbar,
der Pflanze Entfaltung erscheint hier bewunderungswürdiger als die des Homo sapiens, der als Durchschnittsmensch sich
fälschlich dies Prädikat beilegt.
    Physische Verkettung der Lebewelt leugnet niemand. Sucher nach Missing links empfehlen die Teufelsnase in Nikaragua als
Übergang vom Pflanzen- zum Tierleben, der landbereisende Schlammfisch in Südamerika soll Mittelglied zum Reptil,
die Monotremen als Schnabeltier (Entenschnabel) und Echdina (Ameisenfresser) vom Vogel oder Reptil zum Mammal bilden. Als ob
solche ganz vereinzelten Exemplare als Ausnahme eine Regel wären! Wenige wissen, daß manchmal ein guter Kater in
Abwesenheit der Frau Gemahlin die Kleinen an sich saugen läßt, wofür ihm täuschende Illusion
erwächst. Das Hermaphroditische steckt so tief in der Natureinheit, daß auch der Mann vertrocknete
Milchdrüsen an der Brust hat, woraus man seit Carus Sterne den Urmenschen als Hermaphroditen folgert. Daß
Geschlechtsteilung ein sogenanntes Evolutionsprodukt bedeutet, scheint sicher, ist sie aber Verbesserung? Das ganze Elend
physischer Geburt der Säugetiere entstand so, steigende Trennung und Absonderung des Individuellen kann als Folge
eigenen unlautern Willens

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