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Der Aufgang Des Abendlandes

Titel: Der Aufgang Des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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gewaltige Tatsache, daß es sich wiederum um Eingriff unsichtbarer Mächte
handelt, die nach vorbestimmter Notwendigkeit die Dinge so regeln, wie es nicht physischen, sondern psychischen Gesetzen
gefällt. Man denke an Buddhas Spruch: »Sind Vater und Mutter bereit, doch der Genius nicht, so erfolgt keine
Geburt«, die also unsichtbarem Gebot oder Verbot gehorcht. Nationalökonomie überträgt umsonst nur
Lokalgesetze auf Bevölkerungsbewegung, unbekannte psychische Faktoren außer acht lassend. Vermehren sich also
Völker nicht, wie sie sollten – Spanien, Schweden, alle Mohammedaner, Franzosen, die früher 30 Prozent von
Europas Einwohnern ausmachten –, so gibt es dafür nur transzendentale Erklärung. Bedenkt man, daß in
jedem dieser Fälle eine Stärkung durch expansionsbedürftige Volkszunahme ein Unglück für die
übrigen Völker und zuletzt auch für die Gestärkten selber bedeutet hätte, während rapide
Zunahme der Deutschen und Engländer das notwendige Gleichgewicht gegen Slawen, Magyaren, Rumänen herstellt und
heute 40 Millionen Italiener als dritter Faktor hinzutreten, so erkennt man tiefen Sinn der Völkerzahlgruppierung. 1914
umfaßte Rußland angeblich noch 170 Millionen, heute 130, womit seine panslawistische Stoßkraft verringert.
So dämmen Kriege, Revolutionen, Epidemien die Übervölkerung ein, wo sie anfängt, lästig zu
werden.
    So regeln kirchliche Reformationen die Übervölkerung mit Phantasmen. Indem Buddha den Weltfluch
unterdrücken wollte, übte er dabei eigenen Machtwillen. Kann sich Einzelwesen vom All-Leben loslösen, da doch
nichts aus dem All herausfallen kann? Daher gegen mönchisches Mißverstehen seiner Nachfolger der Gegenstoß
des Brahmanismus. Christenkirche hatte nichts voraus vor Seneca, der auf Menschenwürde der Sklaven hielt (der Sklave
Epiktet durfte als Professor dozieren), vor Antonin und Marc Aurel, die Feindesliebe predigten; Jesuitismus machte Gott zu
einem streitbaren Papst Julius, der Ordensgeneral fordert Kadavergehorsam: daher Protest des Protestantismus. Da er aber von
sich selber abfiel und nur die Staatsgewalt stützte, ward geschichtlicher Hintertreppenwitz, neues non possumus im
Konklave »reformierter« Päpstlein habe Geistesfreiheit gefördert (vgl. Buckle über grausame
Pfaffereien der Presbyterianer). Wer am Ruhmportal frommer Reformer eine Stufe tiefer steigt, stößt auf blöde
Intoleranz des Methodistenheilands Wesley (Fähnrich Wesley änderte seinen Namen in Wellesley, um als späterer
Wellington für »Kirche und König« zu streiten!), Miltons eklige Haustyrannei verriet in lateinischen
Privatgedichten unsittliche Anlage, seine mannhafte politische Haltung entbehrte nicht der Streberei, während der
Materialist Hobbes das ihm von Cromwell angetragene Staatssekretariat aus philosophischem Ehrgefühl ablehnte. Ihre
Bibelfrommheit schützte Luther und Calvin nicht vor Charakterfehlern, Heinrich VIII. und Elisabeth simulierten
gleisnerisch Theologeneifer für ihre »geheiligte Majestät«. Daher Rückstoß des
Rationalismus. »Beten und arbeiten« nannte Rochester Selbstbetäubung, Carlyles Arbeitsverhimmelung
vergißt, daß der Yankee Longfellows »Lebenspsalm« als Aufforderung zum Dollarismus betrachtet,
Tolstoi höhnt, die größten Schufte seien die emsigsten Arbeiter. Arbeits pflicht? Erst anerkennt das Arbeits
recht des freien Geistes statt professoraler Brotfresserei, nur freie Idealität, die selber in sich Religion ist,
befriedigt religiöses Bedürfnis. Das Beten warf man über Bord, das Arbeiten entsprach nur noch merkantilem
Geldkult. Der Rationalismus vergaß nur: wer aus Naturbehagen heraustritt, muß Anlehnung an höhere Welt
suchen, Eudämonismus mußte das Spiel verlorengeben, da er mit dem Tier nicht konkurrieren kann.
Überlebensgroße Steinachverjüngung künstlichen Pubertätskitzels bei sozialer Verkalkung will vom
Leben, was es animalisch nicht bietet. Daher der Gegenstoß des Anti-Rationalismus, bei dem auch die Kirche wieder gute
Geschäfte macht. Ein sonderbarer Priesterroman »Jim B« nennt Oxfordtheologie »eine große
Lüge«, ihre »Evidences« Humbug, wie ihn z. B. Dechant Pierson in »unumstößlichen
Beweisen« für jede Bibelzeile zusammenschaufelt. Natürlich erbaut es den ungesunden Menschenverstand, Gott
habe persönlich stenographisch diktiert, copyright reserved and registered, wie er ja auch jenem Kameltreiber den Koran
persönlich überreichte als

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