Der Aufstand Auf Dem Jahrmarkt
Knechte - ich darf nichts Böses über ihn sagen, denn er hat nichts getan, aber... Er ist allzu sehr vernarrt in mich. Da ist es besser, wir reisen nicht gemeinsam. Aber ich möchte ihn auch nicht beleidigen, indem ich ihn wissen lasse, daß ich ihm nicht völlig vertraue. So habe ich ihm gesagt, daß ich noch einige Tage bleiben muß, daß ich vielleicht benötigt werde, sollte der Grafschaftsbeamte weitere Fragen stellen wollen, oder falls man nähere Einzelheiten über den Tod meines Onkels in Erfahrung bringt.«
»Aber wie wollt Ihr heimkehren?« fragte Ivo in freundlicher Sorge.
»Wie wollt Ihr Euch helfen?«
»Ich werde bei Frau Beringar bleiben, bis wir eine sichere Reisegesellschaft finden können, die nach Süden zieht und zu der auch Frauen gehören. Ich bin nicht unbemittelt und kann meine Wegegelder bezahlen. Sicher werde ich gut zurechtkommen.«
Er schaute sie lange und gedankenvoll an, bis sein Ernst in einem Lächeln zerschmolz. »Umgeben von Menschen, die Euch wohlgesonnen sind, werdet Ihr Eure Heimat gewiß ohne Mißgeschick erreichen. Wie die anderen, werde auch ich über Möglichkeiten nachdenken. Aber nun wollen wir um meinetwillen vergessen, daß es eine Trennung geben muß, und das Beste aus diesen Stunden machen, solange Ihr noch hier seid.« Er stand auf und nahm sie bei der Hand, um sie auf die Beine zu ziehen. »Vergeßt die Vesper, vergeßt, daß wir Gäste eines Klosters sind, vergeßt den Jahrmarkt und die Geschäfte und all die Dinge, die Euch in Zukunft beschäftigen mögen. Denkt nur, daß Sommer ist und ein wunderschöner Abend, daß Ihr jung seid und Freunde habt... Kommt mit mir, wir gehen vorbei an den Fischteichen bis zum Bach. Dieses Land gehört zum Kloster, ich würde Euch nicht über die Grenzen hinausführen.«
Sie ging dankbar mit ihm. Seine Hand war kühl und kräftig, und sie ließ die ihre gern darin ruhen. Am Bach unterhalb der Klostergärten und Felder war es kühl und frisch und hell, ein funkelndes Licht lag auf dem Wasser.
Vögel schwatzten und sangen, und in der Freude des Augenblicks vergaß Emma beinahe alles, was auf ihr lastete, so heilig, so verpflichtend und so drückend. Ivo war ehrerbietig und freundlich und kam ihr nicht zu nahe. Als sie bedauernd sagte, daß es Zeit für sie wäre, den Rückweg anzutreten, da Aline in Sorge sein könnte, begleitete er sie bis zum Gästehaus und ließ ihre Hand nicht los, um sich schließlich gewissenhaft vor Aline einzufinden, so daß Emmas gegenwärtige Wächterin ihn sehen, beurteilen und billigen konnte.
Was sie dann auch tat.
Er entledigte sich seiner Aufgabe mit bezaubernder Feinfühligkeit.
Solange es sich für einen ersten Besuch geziemte, erwies er sich als ausgezeichneter Gesellschafter, beantwortete anmutig alle Fragen, bevor Aline sie zu stellen wagte, und zog sich zurück, bevor auch nur die geringste Verlegenheit aufkommen konnte.
»Das also ist der Mann, der so hilfsbereit und umsichtig war, als der Aufruhr begann«, sagte Aline, nachdem er gegangen war. »Wißt Ihr, Emma, ich glaube wirklich, Ihr habt hier einen ernsten Bewunderer.«
Ein Verehrer, dachte sie, mochte ein geeigneter Ersatz für einen verlorenen Vormund sein. »Er entstammt einer guten Familie«, sagte jene Aline Siward, die ihrem Mann zwei Landsitze mit in die Ehe gebracht hatte, aber keinen Unterschied zwischen ihrem Gast und sich selbst sah und den ehrenwerten Bürgerstolz der Leute, die in Handwerk und Handel statt in Adel und Gutsbesitz hineingeboren wurden, unschuldig ignorierte. »Die Corbieres sind entfernte Verwandte des Grafen Ranulf von Chester. Und er scheint ein höchst schätzenswerter junger Herr zu sein.«
»Aber nicht für meinesgleichen«, meinte Emma in einem Ton, der ebenso einsichtsvoll wie bedauernd klang. »Ich bin die Tochter eines Steinmetzen und Nichte eines Händlers. Kein begüteter Edelmann wird ein Mädchen wie mich ernsthaft freien.«
»Aber es ist nicht von einem Mädchen wie Euch die Rede«, erwiderte Aline nüchtern, »sondern von Euch selbst!«
Spät am Abend, nach dem Komplet, blickte Bruder Cadfael umher und sah alles in einem behutsamen Gleichgewicht. Emma war im Gästehaus in Alines und Beringars Obhut. Er konnte endlich einmal zur rechten Zeit mit seinen Mitbrüdern zu Bett gehen, wofür er dankbar war, und er schlief ruhig, bis die Glocke der Matutin rief. In der mitternächtlichen Stille schritten die Brüder die nächtlichen Treppen hinab und in die Kirche, um den neuen Tag mit Anbetung
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