Der Aufstand Auf Dem Jahrmarkt
auf. Wir hatten eine Haushälterin, eine flämische Dame.
Sie war mit einem Seemann aus Bristol verheiratet gewesen und Witwe geworden, nachdem ein heftiger Sturm sein Schiff versenkt hatte. Diese Frau lehrte mich alles, was sie wußte, aber ich konnte es ihrer Arbeit niemals gleichtun. Sie pflegte Altardecken und Meßgewänder zu besticken, die schönsten Dinge...«
Also würde ihr ein Paar einfacher schwarzer Handschuhe von guter Qualität durchaus genügen, dachte Aline, da es ihr ein leichtes wäre, sie nach eigenem Geschmack zu verzieren. Und jene, die sich auf solche Arbeiten verstehen, ziehen selten das Werk anderer Hände vor.
Es war nicht schwierig, Emmas Beredsamkeit zu wecken. Doch Aline fragte sich, was im Kopf der jungen Dame vorging und wann und mit welchen schlauen Mitteln sie den nächsten Versuch unternehmen würde, sich allein davonzustehlen und ihre geheimnisvollen Interessen zu verfolgen.
Aber wie es sich ergab, hätte sie sich die Mühe ersparen können, denn spät am Nachmittag kam ein Laienbruder vom Torhaus und meldete, daß Martin Bellecote den Sarg für Meister Thomas gebracht hätte und die Erlaubnis erbäte, sein Werk zu beenden. Emma legte sofort das Nähzeug aus der Hand und stand auf. Ihr Gesicht war blaß und aufmerksam. Eins stand jedenfalls fest - nichts anderes, wie dringend es auch wäre, könnte sie von der Kirche fernhalten, bis der Onkel in den Sarg gelegt und dieser für die Heimreise verschlossen wäre. Und sie würde es sich nicht nehmen lassen, an der Totenandacht und später an der Totenmesse teilzunehmen. Welche Feinde ihn auch immer gehaßt haben mochten - seiner verwaisten Nichte war er Onkel, Vater und Freund gewesen, und keine Ehre, die ihm gebührte, würde seinem Leichenbegängnis vorenthalten bleiben.
»Ich werde selbst zu ihm gehen«, sagte Emma, »und meinen Abschied von ihm nehmen.« Sie hatte ihn noch nicht als Toten gesehen, aber die Brüder hatten ihm sicherlich die Augen zugedrückt und seinen Körper mit einem Totenhemd bekleidet, so daß sie sich später ohne Qual an seinen Anblick erinnern würde.
»Soll ich mit Euch kommen?« erbot sich Aline.
»Ihr seid sehr liebenswürdig, aber ich würde lieber allein gehen.«
Aline folgte ihr bis zum großen Hof und sah die kleine Prozession zum Kreuzgang hinüberziehen. Emma ging neben dem Handkarren, auf dem Martin und sein Sohn den Sarg fuhren. Als sie ihn aufhoben und durch die südliche Tür der Kirche ins Innere trugen, blieb Aline noch eine Weile stehen und blickte umher. Zu dieser Stunde waren die meisten Gäste und viele der Laiendiener draußen auf dem Jahrmarkt, und nur die Klosterbrüder gingen wie gewohnt ihren Pflichten nach. Durch das weite Tor des Stallhofes sah sie Ivo Corbieres jungen Reitknecht ein Pferd striegeln, und der Bogenschütze Turstan Fowler saß auf einem Aufsteigeblock und polierte pfeifend einen Sattel. Nüchtern und vo n seinem Rausch erholt, war er ein stattlicher und hübscher Bursche, mit dem offenen Gesicht eines Menschen, den auf der weiten Welt keine Sorge bedrückte. Augenscheinlich hatte sein Herr ihm vergeben, und er stand wieder in seiner Gunst.
Bruder Cadfael kam aus der Richtung der Gärten, sah sie an der Tür des Gästehauses stehen und nachdenklich zur Kirche schauen.
Er kam herüber, und sie lächelte erleichtert.
»Martin Bellecote hat den Sarg gebracht. Sie sind in der Kirche, und einstweilen wird Emma an nichts anderes denken. Aber, Cadfael, sie hat die Absicht, uns allen ein Schnippchen zu schlagen, wenn sich dazu die Gelegenheit ergibt. Sie versuchte es schon und sagte, sie wollte sehen, ob der Handschuhmacher auf dem Jahrmarkt Ersatz für die Handschuhe habe, die ihr gestohlen wurden. Doch als ich erklärte, ich würde mit ihr gehen, besann sie sich anders.«
»Handschuhe!« murmelte Bruder Cadfael und rieb sich gedankenvoll das Kinn. »Seltsam, wenn man darüber nachdenkt, daß sie mitten im Sommer an den Kauf von Handschuhen denkt.«
Aline war nicht in der Lage, diesen Gedanken zu folgen, und achtete nur auf seine oberflächliche Bedeutung. »Warum seltsam?
Wir wissen, daß ihr Handschuhe gestohlen wurden, und hier haben wir einen der wenigen Jahrmärkte, wo seltene Waren erworben werden können. So ergibt sich das eine aus dem anderen. Aber sicherlich ist der Besuch beim Handschuhmacher nur ein Vorwand gewesen, der ihr gerade einfiel.«
Cadfael sagte nichts weiter, aber als er über den Hof zum Kreuzgang ging, war er sehr nac hdenklich. Es
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