Der Aufstand Auf Dem Jahrmarkt
nach rechts oder links wenden konnte, war jedoch überzeugt, daß ihr Ziel rechts lag - das Jahrmarktsgelände. Was hätte sie in der Richtung des Flusses und in der Stadt tun sollen?
Sie war noch in Sicht, als er zum Portal hinaustrat und um die Ecke der Westfront die Landstraße entlangspähte. Sie hatte es jetzt nicht mehr so eilig, sondern paßte ihren Schritt jenem der frühen Käufer an, die auf der Straße dahinschlenderten, vor bereits geöffneten Ständen stehenblieben, Waren begutachteten und um Preise feilschten. Der letzte Tag des Jahrmarkts war gemeinhin der betriebsamste. Zum Schluß gab es noch Geschäfte abzuschließen, zu denen man bisher noch nicht gekommen war, schwer verkäufliche Waren wurden verbilligt feilgeboten, und schon zu dieser frühen Stunde herrschte überall reges Leben. Gleichwohl war der Schritt der Käufer gemächlich, und Emma paßte sich ihm an, als ob sie dazugehörte.
Bei alledem aber schien sie einen bestimmten Zweck zu verfolgen.
Cadfael ging in respektvollem Abstand hinter ihr her.
Nur einmal sprach sie mit jemandem, dem Inhaber eines der größeren Marktstände, und Cadfael vermutete, daß sie sich nach etwas erkundigte, denn der Mann wandte sich zur Seite und zeigte die Straße entlang zur Klostermauer. Sie dankte ihm und wandte sich in die angegebene Richtung. Nun beschleunigte sie ihre Schritte. Es bestand kaum ein Zweifel daran, daß sie die ganze Zeit gewußt hatte, zu wem sie wollte - aber nicht, wo der Betreffende zu finden war. Jetzt wußte sie es. Inzwischen war allen größeren Händlern bekannt, wo sie einander finden konnten.
Nahe dem Ende der Straße, wo ein halbes Dutzend Marktstände an der Klostermauer lehnten, blieb Emma stehen. Anscheinend war sie an ihrem Ziel angelangt, doch stand sie jetzt zögernd da und schaute ein wenig hilflos drein, als wäre sie überrascht und verblüfft.
Cadfael näherte sich vorsichtig. Sie betrachtete mit gerunzelter Stirn und offenbar von Zweifeln geplagt den letzten der Marktstände, in einem Winkel zwischen Mauer und Strebepfeiler. Cadfael kannte den Stand. Ein hageres, mißtrauisches Gesicht hatte dort hervorgespäht, als die Männer der Stadtwache Turstan Fowler am Vorabend des Jahrmarkts auf eine Planke gelegt und zu einer Kerkerzelle im Kloster getragen hatten. Es war der Stand Euan von Shotwicks. Hier kamen sie wieder ins Spiel, diese imaginären Handschuhe, die so einfühlsam beschrieben und so bald nach ihrem Erwerb gestohlen worden waren...
Und Emma war ratlos, denn der Stand war verschlossen und verrammelt, während die Geschäfte ringsum florierten. Sie wandte sich zum Nachbarn, fragte ihn offenbar etwas, und der Mann zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf. Was wußte er? Seit dem vergangenen Abend war dort niemand mehr gewesen. Vielleicht hatte der Handschuhmacher seine Ware verkauft und war vorzeitig abgereist.
Cadfael trat näher. Unter dem nüchternen weißen Kopftuch, das einen scharfen Kontrast zum blauschwarzen Haar bildete, sah Emmas jugendliches Profil noch zarter und verletzlicher aus als sonst.
Sie wußte nicht, was sie tun sollte, tat einige Schritte vorwärts und hob die Hand, als wollte sie an den geschlossenen Laden klopfen, dann aber ließ sie es sein und zog sich zurück. Ein vierschrötiger Metzger verließ seinen Stand auf der anderen Straßenseite, kam herüber, tätschelte freundlich ihre Schulter und klopfte herzhaft für sie an den Laden, dann legte er lauschend den Kopf schief. Aber im Inneren des Marktstands regte sich nichts.
Eine große Hand legte sich Cadfael schwer auf die Schulter, und Rhodri ap Huws hohle Stimme dröhnte auf walisisch in sein Ohr:
»Nun, was gibt es? Hat Meister Euan von Shotwick noch nicht aufgemacht? Das sollte mich wundern! Ich habe noch nie erlebt, daß er eine Gelegenheit versäumt hätte, günstige Geschäfte abzuschließen.«
»Der Stand ist verlassen«, entgegnete Cadfael. »Der Mann könnte die Rückreise angetreten haben.«
»Der nicht! Er war nach Mitternacht noch da, denn ich unternahm einen Spaziergang, um die kühle Luft zu atmen, bevor ich zu meinem Gasthaus ging. Und als ich hier des Weges kam, sah ich drinnen ein Licht brennen.« Jetzt war kein Licht auszumachen, aber der schräg einfallende Morgensonnenschein mochte es bis zur Unsichtbarkeit überstrahlen. Aber nein, das war nicht so. Die Ritzen zwischen Laden und Rahmen waren völlig dunkel.
Dies glich nur allzusehr dem, was Roger Dod am vergangenen Tag an einem anderen
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