Der Aufstand Auf Dem Jahrmarkt
war seit seinem Fehltritt ein Muster an Tugend gewesen, und der junge Stallknecht war ein Junge vom Land mit einem frischen, offenen Gesicht. Beide hatten sich mit den anderen Dienern angefreundet und waren wohlgelitten. Ewald hingegen war mürrisch und schweigsam gewesen und hatte sich abseits gehalten, und die Enthüllung seiner Schändlichkeit überraschte seine Gefährten nicht sonderlich.
»Es bleibt noch die Frage der anderen Rechtsbrüche«, erklärte Prestcote. »Was meint Ihr? War es in allen Fällen dieser Mann?«
»Ich kann es nicht anders sehen, als daß Meister Thomas' Tod das Werk nur eines Mannes war«, antwortete Hugh Beringar. »Und ohne Beweise oder triftige Gründe, nur nach dem Gefühl urteilend, glaube ich nicht, daß es dieser Mann war. Was die übrigen Dinge betrifft - ich weiß es nicht! Zwei, behauptete der Wächter des Händlers, aber es ist schwer zu sagen, ob er nicht die Schwierigkeiten vergrößert hat, um seinen eigenen Mangel an Mut oder seine Nachlässigkeit zu entschuldigen - oder ob er seinem gesunden Menschenverstand gehorchte, je nachdem, wie man es ansieht. Sicherlich wird nur einer bei vollem Tageslicht an Bord der Barke gegangen sein, ohne Zweifel forsch und unbekümmert, als ob er dort eine Besorgung zu machen hätte, etwas zu holen oder zu bestellen. Wenn es zwei waren, muß dieser da sicherlich einer von ihnen gewesen sein. Wer der andere war, bleibt im dunkeln.«
Nach dem Komplet ging Cadfael zu Abt Radulfus, um über alles, was geschehen war, zu berichten. Der Grafschaftsbeamte hatte dem Abt bereits einen Höflichkeitsbesuch abgestattet, um ihn in großen Zügen zu informieren. Doch würde Radulfus gleichwohl erwarten, daß sein eigener Beobachter Genaueres mitteilte und andere Gesichtspunkte berücksichtigte, die Ruf und Ansehen eines Benediktinerklosters Rechnung trugen. In einem Orden, der in allen Dingen Mäßigkeit für die Grundlage göttlichen Segens hielt, hatten sich Maßlosigkeiten zugetragen.
Radulfus lauschte dem Vortrag mit diszipliniertem Stillschweigen, und seinem Gesicht war nicht anzumerken, ob er solch summarische Justiz beklagte oder billigte.
»Gewalt kann niemals anders als häßlich sein«, sagte er gedankenvoll, »aber wir leben in einer Welt, die so häßlich und gewalttätig ist, wie sie schön und gut ist. Vor allem zwei Dinge beschäftigen mich, und eines davon mag dir, Bruder, belanglos erscheinen. Dieser Tod, dieses Blutvergießen fand außerhalb unserer Mauern statt. Dafür bin ich dankbar. Du hast sowohl innerhalb wie auch außerhalb klösterlicher Gemeinschaft gelebt, und was akzeptiert und ertragen werden muß, ist drinnen wie draußen das gleiche. Aber vielen hier fehlt dein Wissen, und der Friede, den wir hier als Zuflucht für andere neben uns zu erhalten bestrebt sind, und die Weihe dieses Ortes müssen unversehrt bleiben. Und der zweite Punkt wird dir so wichtig sein wie mir: War dieser Mann schuldig? Ist es gewiß, daß er selbst getötet hatte?«
»Es ist gewiß«, entgegnete Bruder Cadfael, der seine Worte mit Bedacht wählte, »daß er an dem Mord beteiligt war, sehr wahrscheinlich mit mindestens einem anderen Mann.«
»Dann ist Gerechtigkeit geübt worden, so hart es scheinen mag.«
Dem Abt entging nicht die Düsternis, in die Cadfaels Schweigen sich hüllte, und er blickte scharf auf. »Du bist nicht zufrieden?«
»Nachdem der Mann an der Mordtat beteiligt war, Ehrwürdiger Vater, bin ich zufrieden, weil ihn die Gerechtigkeit ereilte. Die Beweise sind klar. Aber was ist Gerechtigkeit? Wenn es zwei gab, und einer trägt die ganze Last der Strafe, und der andere geht als freier Mann davon, ist das Gerechtigkeit? Ich bin in meinem Herzen überzeugt, daß es mehr gibt, was noch unbekannt ist.«
»Und morgen werden all diese Leute ihre Sachen packen und abreisen, werden sich in alle Winde zerstreuen, wo ihre Häuser und Läden stehen. Die Schuldigen und die Unschuldigen in gleicher Weise. Das kann nicht Gottes Wille sein...« Eine Weile blickte der Abt stumm vor sich hin. »Gleichwohl mag es Gottes Wille sein, daß uns alles weitere aus den Händen genommen werden soll. Setze deine Wache noch bis morgen fort, Bruder. Danach müssen andere andernorts die Bürde auf sich nehmen.«
Bruder Mark saß auf dem Rand seines Bettes, die Ellbogen auf den Knien und den Kopf in den Händen, und grämte sich. Von Kindheit an hatte er ein hartes Leben geführt, Entbehrungen, Brutalität und Schmerzen waren ihm nahe Weggefährten gewesen,
Weitere Kostenlose Bücher