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Der Aufstand Der Ungenießbaren

Der Aufstand Der Ungenießbaren

Titel: Der Aufstand Der Ungenießbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edo Popovic
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erwuchs zunächst Teši ć -Commerce, eine Kette von sozialistischen Supermärkten, die Teši ć im Rahmen der Kriegstransition für einen Appel und ein Ei aufgekauft hatte, und bald danach dann der Megakonzern ITEX, immer der Strategie folgend: Zerschlage und kaufe. Zerschlagen wurden die großen sozialistischen landwirtschaftlich-industriellen Kombinate, so dass man ihre Produkte anbot, ohne ihnen etwas zu zahlen, dann die Groß-, Einzelhandels- und Vertriebsketten, all das, was jetzt und hier Cash brachte, und dann kaufte man sie auf – wieder für einen Appel und ein Ei.
    Unter den Hunderten von Festgästen an diesem Abend stachen der Vorsitzende und die Geschäftsführerin der Holding, die links und rechts von Teši ć saßen, besonders hervor, weiter einige Banker, der Kardinal, die komplette Regierung der Holding, die Typen vom Diplomatischen Corps, etliche Großgrundbesitzer, Manager und Bischöfe, bis hin zu einigen Showbiz-Größen – Sänger, Schauspieler, Fernsehmoderatoren, Modemacher, Models –, die als Celebrities gefeiert werden. Trunken von der festlichen Atmosphäre und dem Champagner und dem Glanz und der Macht, die von den Gästen abstrahlten und beinahe eine sichtbare Aura in diesem Empfangssaal von Teši ć s Residenz bildeten, die übrigens früher das Parlament beherbergt hatte, gab Milinovi ć vor den Journalisten den Spruch vom Besiegen des
Windes von sich, und er fügte hinzu, dass ITEX über
den Begriff des Konzerns hinausgewachsen und zu einer Naturgewalt geworden sei. Nun, ein Jahr danach, liegt er in seinen Lumpen auf dem Boden des Schuppens, und Gärtner schiebt ihm ein vergilbtes Zeitungsblatt unter die Nase, auf dem all das zu lesen steht.
    Den Wind besiegen, interessante Idee, wie hast du dir vorgestellt, so etwas in die Tat umzusetzen?, fragt er ihn.
    Das war eine Metapher, sagt Milinovi ć .
    Seine Stimme ist bar jeder Emotion, wie jene synthetischen Stimmen auf den Straßen der Stadt und auf den Flughäfen: GEBEN SIE BETTLERN KEIN GELD! FÜTTERN SIE KEINE TAUBEN! LASSEN SIE IHR GEPÄCK NICHT UNBEAUFSICHTIGT! MACHEN SIE KEINE MUSIK AUF DER STRASSE! ITEX-QUELLWASSER – AUS REINER NATUR! SINGEN SIE NICHT! ES IST VERBOTEN, FUSSBALL, BADMINTON, VOLLEYBALL UND ALLE ANDEREN SPIELE ZU SPIELEN!
    Gärtner beugte sich zu ihm herab.
    Was würdest du sagen, wenn du hörtest, dass ich der Wind bin und dass ich dich besiegen werde. Ist das dann auch eine Metapher?
    Töten Sie mich, sagte Milinovi ć .
    Sobald er es ausgesprochen hatte, spürte Milinovi ć , dass etwas in ihm wach geworden war, irgendein Wunsch, ein sehr starker Wunsch. Doch er ähnelte überhaupt nicht jenem Wunsch, der ihn durch das Leben getrieben und an die Spitze von ITEX und der Citybank geschwemmt hatte, der Wunsch, über den anderen zu stehen. Jetzt hatte er einen Wunsch, aber nicht den voranzukommen, etwas zu erreichen und etwas zu bewältigen, nicht seine Stellung innerhalb der Holding zu stärken, sondern zu verschwinden. Der Gedanke daran, dass er ohne all das, was er zusammengetragen hatte, zurückbleiben würde, ohne seine Habe, ein Gedanke, bei dem ihm früher die Haare zu Berge gestanden hätten, war ihm nun nicht mehr unerträglich. Plötzlich hatte er aufgehört, sich vor dem Tod zu fürchten. Aber nicht, weil er begriffen hatte, dass die Geburt nicht der Anfang und der Tod nicht das Ende seien, beziehungsweise dass es weder Anfang noch Ende gebe und dass er nur eine bedeutungslose, vorläufige Form sei im ewigen Fluss der Materie, im unendlichen Universum und ähnlichen Firlefanz, so etwas war Milinovi ć nie in den Sinn gekommen und kam ihm auch jetzt nicht in den Sinn. Der Wunsch, dass dieser Typ ihn töten möge, war nur die Flucht aus der Scheiße, in der er sich befand und aus der er keinen Ausweg sah. Nichts von dem, womit er in der Holding mit Leichtigkeit diese – zugegeben sehr unangenehme – Situation hätte lösen konnen, konnte hier helfen. Keine Beziehungen, keine Bekanntschaften, kein Geld, das ihn aus den Händen dieser Schufte hätte befreien können, nichts. Und zum ersten Mal erschien ihm die Idee von der Mauer und von der Holding, die er nach Kräften vertreten hatte, etwas weniger genial. Menschenskinder, so dachte er plötzlich, das alles hat auch seine schlechten Seiten. Was für eine Welt ist das nur, in der du auf der einen Seite der Wand allmächtig bist und jenseits der Wand weniger Bedeutung hast als ein streunender Hund.
    Töten Sie mich, wiederholte er.
    Doch Gärtner war

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