Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Aufstand Der Ungenießbaren

Der Aufstand Der Ungenießbaren

Titel: Der Aufstand Der Ungenießbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edo Popovic
Vom Netzwerk:
aufgetürmt?
    Das habe nicht ich gemacht, sondern die Hukeiverbres.
    Ach so, Vida verstand, ein Friedhof für Tiere.
    Genau das. Monatelang kamen Bären hierher, und sie warteten auf sie auf der Bergkuppe da vorne und knallten sie ab.
    Nicht gerade sportlich, Tiere abzuschießen, während sie fressen, sagte Vida mehr für sich, aber dann bemerkte er zwischen den Skeletten einen Schädel, der größer als die anderen war, mit riesigen Eckzähnen.
    Dein Hund?, fragte er.
    Murat, sagte Joki ć , und Osman liegt auf der anderen Seite.
    Murat und Osman?
    Anatolische Schäferhunde, mächtige Tiere. Murat sprang einen der Jäger an, der sonst als Polizist in Zadar arbeitet, und er hatte verdammtes Glück, dass er ihm nicht die Kehle aufgerissen hat.
    Und wo warst du?
    Da hinten. Sie hatten mich festgebunden und liegen lassen. Drei Tage und drei Nächte lag ich hier. Zum Glück kam meine Frau jeden Sonntag hierher. Wäre sie nicht gekommen …
    Und du hast das der Polizei gemeldet?
    Ja. Zuerst wollte ich mit Minen gegen sie vorgehen. Ich habe einen Haufen Tret- und Springminen auf dem Tulove Grede gesammelt, ich wollte sie auf die Anhöhe legen, vor der Wiese. Und ich hätte es auch getan, wenn da nicht meine Frau und der Kleine wären. Ich hätte ihnen die Gewehre und die Munition abgenommen, ich könnte mich jahrelang hier verstecken. Er wies mit der Hand um sich.
    Besser, dass du es nicht getan hast, sagte Vida, du wirst dir eine neue Herde anschaffen.
    Joki ć sah ihn an, schüttelte den Kopf und verzog das Gesicht.
    Es geht nicht um die Schafe.
    Er schwieg, und dann sagte er mit Mühe, als würde er es ausspucken:
    Sie haben auf mich gepisst und mich bespuckt. Du kannst das nicht mit Wasser abwaschen, und die Zeit geht nicht darüber hinweg.
    Bei der Rückkehr setzten sie sich in den Schatten des Steinturms und zündeten sich Zigaretten an.
    Das, was du gestern gesagt hast, macht Sinn, begann Vida und betrachtete dabei die Gluthitze, die über der Bukovica flimmerte und die schillernde Wasserfläche der Bucht von Novigrad. Woher hast du diese Ideen?
    Welche Ideen?
    Dass unsere, eure, die Serben, die Kroaten in Wirklichkeit gar nicht existieren.
    Joki ć blickte ihn an, als suche er nach der Falle, und fragte:
    Du machst dich wohl über mich lustig.
    Überhaupt nicht, Vida starrte weiter auf die glitzernde Oberfläche der Bucht.
    Weißt du, sagte Joki ć , wenn du in eine Ecke getrieben wirst, kannst du entweder zulassen, dass du von anderen geführt wirst, die dir sagen, was du tun oder lassen sollst, oder du schaltest dein eigenes Gehirn ein. In Bosnien gab es viele, die gehetzt haben und meinten, dass der Krieg nicht vorbei sei, dass wir nur eine Schlacht verloren hätten, dass wir die Armee wieder aufbauen und zurückkehren und uns rächen sollten … Aber mir war klar, dass die Sache beendet ist. Meine Frau und ich hatten vor dem Krieg eine Arbeit, sie war Kellnerin in einem Restaurant, ich Hausmeister in der Grundschule, wir hatten unseren Hof, und dann haben wir über Nacht alles verloren. Wir fanden uns in einer Gegend wieder, die wir nicht kannten, unter Menschen, die wir nicht kannten, ohne Arbeit und ohne Dach über dem Kopf. Dann habe ich – wie gesagt – mein Gehirn eingeschaltet und begonnen nachzudenken, wie alles angefangen hat, warum und lauter solche Dinge. Wieso trennen sich Schafe, Spatzen oder Hühner nicht nach Nation oder Glauben? Nirgendwo in der Natur gibt es so etwas. Der Mensch ist die einzige Spezies, die sich so aufteilt und die deshalb streitet und sich gegenseitig abschlachtet – und das seit eh und je. Für uns sind so viele frei erfundene Dinge wichtig, so viele Dinge ziehen unsere Aufmerksamkeit ab vom …
    … vom Leben, bot Vida an.
    Genau, vom Leben. Dumme Hühner, die sich nie vollständig von ihrer Schale befreit haben, aus der sie geschlüpft sind – das sind wir. Nation, Glaube, Staat, Familie, so habe ich gedacht, von all dem müssen wir uns befreien und in die Welt hinausgehen, und wenn wir das nicht tun, dann wird es uns so gehen, wie es uns jetzt geht. So habe ich mir das überlegt.
    Das hast du dir gut überlegt, Alter.
    Vielleicht stimmt das sogar, aber es hilft mir trotzdem nicht weiter. Obwohl ich niemanden getötet habe, ich meine keine Zivilisten, obwohl ich kein Haus angezündet habe, was alle hier wissen, werde ich in den Augen der Kroaten für immer ein Tschetnik bleiben.
    Für mich bist du kein Tschetnik.
    Joki ć lachte auf.
    Du bist einer, aber was ist mit den

Weitere Kostenlose Bücher