Der Aufstand
körperlichen Leistungsfähigkeit. Aber er war eben nur ein Mann, und keiner seiner menschlichen Sinne war ausreichend geschärft, als dass er die Gestalt bemerkt hätte, die hinten aus dem Lastwagen gestiegen war und sich nun im Dunkeln an ihn heranschlich. Keine Sekunde später war Enricos Genick gebrochen.
Der Fahrer des Lkw schaute ungerührt zu, als der tote Wächter in sein Wachhäuschen gezerrt wurde. Sein Mörder ließ den Leichnam auf den Boden plumpsen und wandte sich dann dem Computer zu. Schon nach wenigen Anschlägen auf der Tastatur begann das Tor sich zu öffnen, und nach ein paar weiteren wurden sämtliche Überwachungskameras im Werk gleichzeitig abgeschaltet.
Die Lastwagen rollten langsam durch das Tor auf das dunkle Betriebsgelände. Ihre hinteren Türen gingen auf, und acht Gestalten in schwarzen Kampfanzügen sprangen heraus. Schnell und lautlos drangen sie in die Fabrik ein, wo sie sich in Zweiergruppen systematisch von Raum zu Raum und Stockwerk zu Stockwerk vorarbeiteten. Erst das übrige Gebäude überprüfen und dann zum Ostflügel – so lautete ihre Anweisung, und bis dahin verlief die Operation genau nach Plan.
Marta Tucci saß an ihrem Schreibtisch in ihrem Büro im Erdgeschoss. Der Monitor ihres Laptops spiegelte sich in ihrer Brille und erhellte die Vorderseite ihres Laborkittels. Der Bildschirm war voller technischer Daten, doch so spät in der Nacht konnte sie damit nichts mehr anfangen. Schon zwei Jahre nach Abschluss ihres Studiums fühlte sie sich von ihrer Arbeit im biochemischen Sektor vollkommen ausgelaugt. Sie hasste die Schichtarbeit. Normalerweise hätte sie jetzt zu Hause sein sollen, bei Franco und ihrer kleinen Renata. Manchmal hätte sie am liebsten – in diesem Augenblick wurde die Tür ihres Büros aufgetreten, und zwei Männer in Schwarz kamen hereingestürmt und richteten ihre Waffen auf sie. Marta schrie auf. Einer der beiden trat an sie heran und packte sie an ihrem langen blonden Haar. Brutal riss er sie von ihrem Stuhl hoch und schleuderte sie zu Boden. Wie ein Tier fiel er über sie her. Ihre Schreie flauten zu einem gequälten Wimmern ab, als sich seine Zähne in ihre Kehle bohrten. Blut quoll in dicken Strahlen hervor und tränkte den Teppich, während er sie aussaugte und sich an ihrem zerfetzten Fleisch labte. Es fiel ihm sichtlich schwer, von ihr abzulassen, aber dann gab er sich einen Ruck und machte seinem Kameraden Platz, der sofort zu trinken begann.
Als die beiden Vampire mit Marta Tucci fertig waren, blieb bloß eine blasse, leblose Hülle am Boden zurück. Acht weitere Chemiker und zwei Männer vom Sicherheitsdienst starben auf dieselbe entsetzliche Weise. Jeder einzelne der Vampire konnte seinen Durst in dieser Nacht stillen. Das war Teil ihrer Entlohnung für die Arbeit an diesem gottverlassenen Ort.
Innerhalb von weniger als fünf Minuten hatten sich die schwarzen Gestalten vor der Sicherheitsschleuse, die in den Ostflügel führte, neu formiert. Ihr Anführer ging zu einer in die Wand eingelassenen Tastatur und gab eine zwölfstellige Ziffernfolge ein. Der Code wurde täglich geändert, aber ihre Information war korrekt. Zischend öffneten sich die Stahltüren. Das Team schlüpfte hindurch in den dahinterliegenden Korridor.
Der Ostflügel war in dieser Nacht mit fünf Chemikern in weißen Kitteln – drei Männern und zwei Frauen – besetzt, als die bewaffneten Eindringlinge in den von Glaswänden unterteilten Komplex von Räumen gestürmt kamen, in dem das geheime Labor des Weltverbands der Vampire untergebracht war. Eine der Frauen suchte Deckung hinter einem Tisch, aber es nützte nichts. Eine Salve durchlöcherte ihren weißen Kittel und riss sie zu Boden. Ihre Finger erstarrten zu Klauen, sie schrie und zuckte und platzte dann auseinander.
Die anderen starrten sie entsetzt an.
Aber nicht nur, weil ihre Kollegin gerade erschossen worden war, sondern weil Vampire normalerweise nicht einfach tot umfielen, wenn man auf sie schoss. Und die Chemiker im Obergeschoss des Ostflügels waren alle Vampire und kannten die Auswirkungen von mit Nosferol präparierter Munition, weil die Herstellung ebendieses Gifts eine ihrer Hauptaufgaben darstellte. Mit einem Schlag ließen sie jeden Gedanken daran, zu fliehen oder Widerstand zu leisten, fallen.
Nur einer von ihnen, ein korpulenter Mann mit einem blonden Pferdeschwanz, schien weniger verängstigt als seine Kollegen. Doch das fiel niemandem auf, denn die Eindringlinge hatten andere
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