Der Aufstand
haben Dringlicheres zu erledigen.»
«Was meinst du mit Dringlicheres, Gabriel?», fragte Anton, während er jedes Zucken in Stones Gesicht genau beobachtete. «Die Federation –»
«Die Federation kann warten», unterbrach ihn Stone. «Mit der verfahren wir genau nach Plan. Ich meine etwas anderes. Während ihr in London wart, war ich … anderswo.»
Lillith verschränkte die Arme und blickte ihren Bruder an. Ihre Miene war unmissverständlich: Sie wusste ganz genau, wo er in dieser Nacht gewesen war, und missbilligte seine Tändelei mit seinem neuesten Spielzeug. Am liebsten hätte sie Kate Hawthorne gleich in der ersten Nacht getötet. Dennoch sagte sie nichts.
«Ich hatte dabei einen kleinen Zusammenstoß mit einem Menschen», fuhr Stone fort. «Ein Polizist. Er hat etwas zu mir gesagt, was mich sehr beunruhigt.» Er legte eine Kunstpause ein. «Er hat behauptet, er sei im Besitz eines bestimmten Artefakts: dem Kreuz von Ardaich.»
Seine Worte lösten betroffenes Schweigen aus. Lillith starrte ihn finster an. «Das Kreuz? Das Kreuz aus der Legende?»
«Ach, diese alte Geschichte», sagte Anastasia mit einer wegwerfenden Bewegung. «Wir wissen doch alle, dass wir uns vor Kreuzen nicht zu fürchten brauchen.» Als sie in die Runde blickte, sah sie zu ihrem Erstaunen nur ernste Gesichter. «Oder etwa nicht?»
Stone schüttelte den Kopf. «Mit deinen achtzig Jahren bist du noch viel zu jung, um das beurteilen zu können, Anastasia. Aber ich kann dir versichern, dass die Legende von dem, was die Menschen das Kreuz von Ardaich nennen, eine sehr reale Grundlage hat.»
«Dann müssen wir diesen Menschen eben töten», meinte Lillith. «Die einfachste Lösung ist immer die beste.»
«Und wie stellst du dir das vor?», polterte Zachary. «Wenn der Wichser wirklich das Kreuz hat, können wir ihm nichts anhaben.»
Stone bedachte ihn mit einem kalten Blick. Er mochte es nicht, wenn in seiner Gegenwart menschliche Obszönitäten geäußert wurden, außer von ihm selbst.
«Glaubst du wirklich, dass er es hat, Gabriel?», fragte Anton.
Stone schnalzte mit der Zunge. «Vielleicht blufft er nur, vielleicht aber auch nicht. Aber selbst, wenn er nicht im Besitz des Kreuzes sein sollte, macht ihn schon die bloße Tatsache, dass er von seiner Existenz weiß, zu einer ernsthaften Bedrohung für uns. Deshalb dürfen wir kein Risiko eingehen.»
«Ich sehe das wie Lillith», meinte Anastasia. «Wenn dieser Mensch bei der Polizei ist, sollte er leicht aufzuspüren sein. Wir können ihn verschwinden lassen – und mit ihm auch das, was er womöglich weiß oder gefunden hat.»
Stone dachte einen Augenblick lang schweigend nach, bevor er aufstand, zur Tür ging und zweimal an einer dünnen Kordel zog.
Weit entfernt, hinter den verschlungenen Korridoren des Hauses, läutete die Glocke bei Seymour Finch.
Wenige Minuten später traf ihr Gehilfe ein. Lillith beäugte ihn mit Abscheu, als er in seiner kriecherischen Art wie ein geprügelter Hund, der nach Essensresten sucht, an den Tisch geschlichen kam, während aus seinen Augen zugleich Verehrung gegenüber seinem Herrn und Angst vor ihm sprachen.
«Mein treuer Diener», begrüßte ihn Stone. «Ich habe eine weitere Aufgabe für dich.»
Finch nickte eifrig. «Es wird mir eine Freude sein, Euch zu Diensten zu sein, Mr. Stone. Ich tue, was immer Ihr wünscht.»
«Ein Mensch ist für uns zu einem Problem geworden. Wir nehmen an, dass er Polizist ist und womöglich im Besitz eines Gegenstands, der uns sehr viel bedeutet. Und du sollst jetzt herausfinden, wer er ist, wo er wohnt, was er weiß und wem er vielleicht noch davon erzählt hat.»
«Und ihm dann seine dreckige Kehle durchschneiden», schnurrte Lillith und fuhr sich mit einem Finger quer über den Hals.
Stone aber warf ihr einen finsteren Blick zu. «Nein. Ihm darf nichts geschehen – nicht, bevor wir mit absoluter Sicherheit wissen, dass er als Einziger über dieses Wissen verfügt.» Wieder an Finch gewandt, fuhr er fort. «Das ist eine sehr heikle Angelegenheit. Je nachdem, wie viel er über uns weiß, könnte es erforderlich werden, ihn von seinen Kollegen zu isolieren, um zu verhindern, dass er sein Wissen weitergeben kann. Hast du das verstanden?»
Finch nickte. «Ja, Herr.»
«Gut. Den Rest überlasse ich dir. Du wirst mir nach meiner Rückkehr Bericht erstatten.»
Lillith blickte ihn verwundert an. «Nach deiner Rückkehr? Von wo?»
«Ich habe noch eine Kleinigkeit zu erledigen. Geschäftlich. Und dann
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