Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Aufstieg des Hotel Dumort

Der Aufstieg des Hotel Dumort

Titel: Der Aufstieg des Hotel Dumort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Köbele
Vom Netzwerk:
reinster Vernunft klang.
    Das war durchaus möglich. Der Oberste Hexenmeister von Manhattan dreht ein bisschen durch, fängt an, von Verderben, dem Geld der Irdischen und Untergang zu schwadronieren … irgendjemand schnappt diese Geschichte auf, erzählt sie weiter und am Ende landet sie – wie alle Geschichten – bei ihm, Magnus.
    Er trommelte mit den Fingern auf dem gesprungenen Marmor seines einst makellosen Tresens herum. Die Zeit, war ihm aufgefallen, verging neuerdings schneller. Da lag Aldous nicht ganz falsch. Die Zeit war wie Wasser, mal eisig und langsam (die 1720er … nie wieder), mal wie ein stiller Tümpel oder ein sanft dahinfließender Bach und dann wieder wie ein reißender Fluss. Und manchmal war die Zeit wie Dunst, der verschwand, während man noch hindurchging, und alles in einen feinen Nebel hüllte, in dem sich das Licht brach. So waren die 1920er.
    Selbst in schnelllebigen Zeiten wie diesen konnte Magnus seine Bar nicht umgehend wieder eröffnen. Er musste zumindest den Anschein von Normalität wahren. Ein paar Tage, vielleicht eine Woche lang. Eigentlich konnte er dann ja auch nach Art der Irdischen aufräumen: ein paar Leute anheuern, die mit Eimern, Brettern und Nägeln anrückten. Oder er machte es gleich ganz selbst. Das würde ihm wahrscheinlich sogar guttun.
    Also krempelte Magnus die Ärmel hoch und machte sich an die Arbeit. Er sammelte Glasscherben ein und warf die zertrümmerten Stühle und Tische auf einen Haufen. Dann holte er einen Mopp und wischte die Alkohollachen, den Dreck und die Splitter auf. Nach ein paar Stunden wurde ihm das alles jedoch zu anstrengend und langweilig. Er schnippte mit den Fingern und stellte die Ordnung wieder her.
    Aldous’ Worte nagten allerdings immer noch an ihm. Irgendetwas musste geschehen. Irgendjemand musste davon in Kenntnis gesetzt werden. Jemand mit deutlich mehr Verantwortungsbewusstsein und größerem Interesse an dieser Angelegenheit müsste übernehmen. Womit natürlich nur eine Personengruppe infrage kam.
    Schattenjäger würden niemals eine Flüsterkneipe betreten. Sie achteten das Anti-Alkohol-Gesetz der Irdischen (die mit ihrem »Das Gesetz ist hart, aber es ist das Gesetz« – so was von nervtötend). Das bedeutete, dass Magnus einen Ausflug zur Upper East Side unternehmen musste, dem Sitz des New Yorker Instituts.
    Das prachtvolle Äußere des Instituts beeindruckte ihn immer wieder aufs Neue: wie arrogant es alles andere überragte und in seiner gotischen Herrlichkeit zeitlos und unbewegt sein Missfallen gegenüber allem Modernen und Veränderbaren zum Ausdruck brachte. Schattenweltler konnten das Gebäude normalerweise nicht durch die Hauptpforte betreten – ihr Zugang führte über das Sanktuarium. Aber Magnus war kein gewöhnlicher Schattenweltler und seine Verbindung zu den Schattenjägern reichte lange zurück und war allseits gut bekannt.
    Das bedeutete nicht, dass ihm ein warmer Empfang bereitet wurde. Edith, die Haushälterin, sagte zur Begrüßung lediglich: »Warten Sie hier.« Er blieb in der Eingangshalle zurück, wo er die verstaubte Einrichtung einer kritischen Musterung unterzog. Die Schattenjäger hatten ein Faible für burgunderrote Tapeten, rosenförmige Lampen und klobige Möbel. Hier würde die Zeit niemals schnell vergehen.
    »Kommen Sie«, befahl Edith, als sie wieder zurückkam.
    Magnus folgte ihr den Flur entlang zu einem Empfangsraum, wo Edgar Greymark, der Leiter des Instituts, vor einem Bücherregal stand.
    »Edgar«, sagte Magnus mit einem Nicken. »Wie ich sehe, haben Sie sich dem Druck gebeugt und ein Telefon installieren lassen.«
    Magnus deutete auf den Apparat, der auf einem kleinen Tischchen in einer dunklen Ecke stand, als sollte er für seine bloße Existenz bestraft werden.
    »Das Ding ist ein verdammtes Ärgernis. Haben Sie das Geräusch gehört, das es von sich gibt? Aber auf diese Weise kann man leichter mit den anderen Instituten sprechen oder Eis bestellen, von daher …«
    Er ließ das Buch in seiner Hand geräuschvoll zuklappen.
    »Was führt Sie zu uns, Magnus?«, fragte er. »Wie ich höre, unterhalten Sie ein Trinklokal. Ist das richtig?«
    »Weitestgehend«, antwortete Magnus mit einem Lächeln. »Momentan eignet es sich allerdings besser als Feuerholz.«
    Edgar fragte nicht nach einer Erklärung, also verzichtete Magnus darauf.
    »Sie sind sich sicher im Klaren darüber, dass der Verkauf von Alkohol gegenwärtig gegen das Gesetz ist«, fuhr Edgar fort. »Ich gehe davon aus, dass

Weitere Kostenlose Bücher