Der Aufstieg des Hotel Dumort
für Sie gerade das den Reiz ausmacht.«
»Jeder sollte sich das eine oder andere Hobby gönnen«, erwiderte Magnus. »Meines beinhaltet ganz zufällig den Verkauf und Genuss illegaler Substanzen. Ich habe schon Schlimmeres gehört.«
»Wir haben üblicherweise keine Zeit für Hobbys.«
Schattenjäger. Waren immer besser als alle anderen.
»Ich bin gekommen, weil ich in besagtem Trinklokal gewisse Gerüchte gehört habe. Gerüchte über die Schattenwelt, die Sie vielleicht kennen sollten.«
Magnus erzählte alles, woran er sich erinnern konnte – alles, was Aldous gesagt hatte, und auch sein seltsames Verhalten sparte er nicht aus. Edgar lauschte mit unbewegter Miene.
»Sie sind einzig und allein wegen eines wirren Vortrags von Aldous Nix hier?«, fragte er, als Magnus geendet hatte. »Jeder weiß, dass Aldous in letzter Zeit etwas neben sich steht.«
»Ich lebe schon sehr viel länger als Sie«, entgegnete Magnus. »Ich verfüge über einen umfassenden Schatz an Erfahrungen und habe gelernt, auf meine Instinkte zu hören.«
»Wir werden nicht aufgrund von Instinkten aktiv«, brummte Edgar. »Entweder haben Sie Informationen für uns oder nicht.«
»Angesichts unserer langen gemeinsamen Vergangenheit, Edgar, glaube ich, dass Sie aufgrund dessen aktiv werden sollten, was ich Ihnen erzählt habe.«
»Was sollen wir Ihrer Meinung nach also tun?«
Magnus hasste es, ihm alles vorkauen zu müssen. Er hatte sich mit seinen Informationen an die Schattenjäger gewandt. Es war nicht seine Aufgabe, ihnen auch noch zu erklären, wie sie diese zu interpretieren hatten.
»Mit ihm reden vielleicht?«, schlug Magnus vor. »Tun Sie einfach das, was Sie am besten können: die Augen offen halten.«
»Wir sind immer wachsam, Magnus.« In Edgars Tonfall lag ein Hauch von Sarkasmus, der Magnus nicht im Geringsten behagte. »Wir werden all das im Hinterkopf behalten. Danke, dass Sie vorbeigekommen sind. Edith bringt Sie zur Tür.«
Er läutete eine Glocke und nur Sekunden später stand die sauertöpfische Edith bereit, um den Schattenweltler aus ihrem Haus zu entfernen.
Bevor er das Institut aufgesucht hatte, war Magnus entschlossen gewesen, selbst nichts zu unternehmen. Er wollte einfach nur die Informationen weitergeben und dann in Ruhe sein ewiges Leben weiterleben. Aber dass Edgar seine Sorgen so leichtfertig abgetan hatte, spornte ihn an. Aldous zufolge befand sich das Hotel Dumont in der 116. Straße, was ganz in der Nähe war. Gleich drüben in Italian Harlem, zu Fuß vielleicht zwanzig Minuten entfernt. Magnus marschierte los, Richtung Norden. New York veränderte sich abrupt von Stadtteil zu Stadtteil. Die Upper East Side war gut betucht und so gediegen, dass es beinahe wehtat. Doch je weiter er lief, desto kleiner wurden die Häuser, die Fahrweise aggressiver und die Pferdewagen häufiger. Oberhalb der 100. Straße wurden die Kinder wilder und ungestümer; sie spielten Stickball und Fangen auf der Straße und ihre Mütter schrien durch die Fenster nach draußen.
Die Atmosphäre in dieser Umgebung war um einiges angenehmer. Hier ging es familiärer zu und durch die Fenster drangen wohlriechende Düfte nach draußen. Außerdem war es schön, ein Viertel zu sehen, in dem nicht alle weiß waren. Harlem war der Mittelpunkt schwarzer Kultur und zugleich das Zentrum der besten Musik der Welt. Es war der heißeste, schöpferischste Ort, an dem man sein konnte.
Was vermutlich auch der Grund war, warum jemand diese gigantische Monstrosität von einem Hotel dorthin geklotzt hatte. Das Dumont passte kein bisschen zu den Reihenhäusern aus Backstein oder den Geschäften und Restaurants der Umgebung, aber es sah auch nicht gerade wie die Art von Gebäude aus, das sich darum scherte, was die Nachbarn von ihm hielten. Es stand ein bisschen zurückgesetzt, in einer kleinen Seitenstraße, die den Anschein erweckte, als sei sie extra dafür angelegt worden. In der prächtigen säulenverzierten Fassade prangten Dutzende Schiebefenster, deren Vorhänge allesamt zugezogen waren. Die schwere Flügeltür aus Metall war fest geschlossen.
Magnus setzte sich in das kleine Lokal auf der anderen Straßenseite und beschloss, von dort aus die Umgebung zu beobachten und abzuwarten. Worauf er wartete, wusste er selbst nicht so genau. Irgendwas. Egal was. Er war sich nicht sicher, dass überhaupt etwas passieren würde, aber jetzt hatte er Blut geleckt. Die erste Stunde war sterbenslangweilig. Er las eine Zeitung, um Zeit totzuschlagen. Er aß
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