Der Auftrag
allein.«
Saric zögerte. »Da ist noch etwas, vielleicht unbedeutend und ebenfalls nutzlos, aber mein Onkel meinte, um ganz sicher zu gehen, müsse man bei den alten Sklavinnen nachfragen, die über Frauengeheimnisse besser unterrichtet waren als er. Eine heimliche Schwangerschaft hätten andere Frauen vielleicht vertuscht. Es gab Freundschaften.«
»Eine gute Idee«, sagte Jaryn schnell. »Wer könnte die Befragung durchführen?«
»Ich werde meinen Onkel darum bitten. Er fürchtet jedoch, allzu viele dürften nicht infrage kommen, weil Frauen ab einem bestimmten Alter zu niederen Arbeiten abgestellt oder verkauft wurden. Nur noch sehr wenige arbeiten als Wäscherinnen oder in der Kornmühle. Mein Onkel wird sich um die Namen kümmern, dann könnt Ihr sie selbst befragen.«
Jaryn hoffte sehr, dass sich hier eine Spur finden ließe. Außerdem musste er mit Gaidaron sprechen. Natürlich würde dieser einen Achayanen jederzeit empfangen. Aber was sollte ein Sonnenpriester mit ihm zu besprechen haben? Und selbst, wenn sich etwas fände, so hätte Jaryn ihn nicht persönlich aufgesucht. Ein Achayane ließ die anderen zu sich rufen.
Während er weiterhin auf Nachrichten aus dem Palast warten musste, beschloss er, sich unerkannt in der Nähe des Mondtempels herumzutreiben. Er beauftragte Saric, ihm entsprechende Kleider zu besorgen. Das war nicht einfach, denn sie mussten in jedem Fall seine verräterischen Haare verbergen. Aufwendige Hüte oder Schals würden bei dieser Hitze nur auffallen. Saric erinnerte sich an die Zylonen, die zu jeder Jahreszeit ihre Körper und Häupter vollständig bedeckten, weil sie glaubten, zur Strafe zurück auf die Welt geschickt worden zu sein. Sie hielten sich für beschmutzt und minderwertig, verbargen ihre Leiber vor fremden Blicken und mussten ihr Leben büßend und leidend verbringen, um die ewige Seligkeit zu erlangen. Anders als Bettler wurden die Zylonen in dieser jeglichem Aberglauben zugetanen Stadt geduldet. Meistens hielten sie sich in Höhlen am Rande der Stadt auf, aber manchmal sah man sie durch die Straßen schlurfen und um Essen betteln.
Jaryn war entsetzt über diesen Vorschlag. Er hielt die Zylonen für Abschaum, die sich vor ehrlicher Arbeit drückten. Aber dann sagte er sich, es sei ja nur für kurze Zeit. Niemand würde ihn ansprechen oder belästigen. Er könne sich beim Mondtempel kurz umsehen und wieder gehen. Saric brachte einen zerrissenen, mehrfach geflickten Kittel mit riesiger Kapuze und Gesichtsschal, allerdings frisch gewaschen und nicht aus dem Besitz der Zylonen. Jaryn streifte ihn rasch über. Schließlich war er schon einmal in einem Köhlermantel durch Margan gewandert.
Mit mühsam schleifenden Schritten näherte er sich dem Mondtempel, der nur hundert Schritte entfernt lag, ihm aber wie ein fernes Land vorkam. Die Leute wichen ihm aus, diesmal nicht aus Ehrfurcht, sondern aus Angst vor dem Gestank, den die Zylonen auszuströmen pflegten. Die Tore des Mondtempels standen weit offen, und es herrschte ein ständiges Kommen und Gehen. Die Priester waren erkenntlich an ihren schwarzen, mit silbernen Monden und Sternen bestickten Gewändern. Etliche standen vor dem Eingang und unterhielten sich. Einige verließen den Tempel, andere gingen hinein. Wer von ihnen mochte Gaidaron sein?
Jaryn stellte sich seitlich vom Tor auf und dachte, wenn dieser an ihm vorüberginge, würde er es wissen. Eine Stunde wartete er unbeachtet im Schatten eines Pfeilers. Einige warfen ihm eine kleine Münze zu. Jedes Mal zuckte er peinlich berührt zusammen. Aber er klaubte sie auf, um keinen Verdacht zu erregen. Viele Priester und anderes Volk waren schon an ihm vorbeigegangen, doch nichts hatte sich in ihm geregt, keine Erleuchtung war über ihn gekommen. Verärgert, nichts erreicht zu haben, machte er sich wieder auf den Heimweg. Er musste diesen Kittel loswerden, unter dem er schwitzte wie ein Steinhauer. Nun nicht mehr schwerfällig schleichend, sondern raschen Schrittes überquerte er den Königsplatz. Wieder wichen die Leute ihm aus. Jaryn war das gewöhnt, wenn auch aus anderen Gründen. Aber ein Mann, hochgewachsen und stolz, energisch ausschreitend, dachte nicht daran. Er lief geradewegs auf die Elendsgestalt zu, offenbar davon überzeugt, dieser Lumpenhaufen werde ihm ausweichen. Jaryn erkannte einen Mondpriester, glaubte jedoch seinerseits, der werde ihn vorbeilassen. So kam es zu einem unvermeidlichen Zusammenstoß.
»Mach den Weg frei, du Flegel, du
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