Der Auftrag
klar«, erwiderte Jaryn gereizt. »Aber wie hätte ich wissen sollen, dass du mit unseren Feinden paktierst.«
»Ich paktiere mit ihnen, weil es meine Freunde sind. Ihr Anführer ist der Bruder meiner Mutter. Verstehst du mich jetzt? Mit Margan und Euresgleichen habe ich nichts zu tun. Ich lebe in Jawendor, aber es wurde mir nie zur Heimat. Meine Heimat sind die Rabenhügel. Du und ich, das war ein Versehen, ein Scherz des Schicksals, wenn du so willst. Wenn wir beisammen sind, bist du für mich kein Sonnenpriester, und ich möchte für dich nicht der gesetzlose Schurke sein. Wir sind dann nur zwei Männer, die sich lieben.«
»Lieben?«, stieß Jaryn spöttisch hervor. »Du meinst, die miteinander vögeln.«
»Naja, das meinte ich«, gab Rastafan brummig zu. »Also, nun weißt du alles. Und nun sage mir, was du von mir wolltest.«
Jaryn hatte sich das Wiedersehen mit Rastafan anders vorgestellt. Er sah ein, das war kindisch gewesen. »Ich wollte dich um etwas bitten«, sagte er, aber es klang eher trotzig.
Rastafans Augen verengten sich misstrauisch. »Ich höre.«
Jaryn musste sich überwinden, die Bitte auszusprechen, sie war in ihrer Art auch für ihn selbst noch neu, und außerdem war die Situation für ein solches Gespräch zu angespannt. Aber er war nun einmal hier, er konnte und wollte keinen Rückzieher machen. »Es gibt ein Gerücht«, begann er vorsichtig. »Ein Gerücht, dass in den Dörfern Jawendors Knaben angeworben werden sollen.«
Er machte eine kleine Pause, und Rastafan sah ihn ausdruckslos an. »Ja?«
»Angeblich wartet auf sie in Margan ein gutes Leben, aber in Wahrheit sollen sie als …« Jaryn räusperte sich. »Sie sollen als Lustknaben an König Nemarthos von Xaytan verkauft werden.«
»Wie niederträchtig!«, tat Rastafan entrüstet. »Und wer steckt dahinter?«
»Nun, das ist …« Jaryn gab sich einen Ruck. »Es heißt, König Doron selbst habe diese Order gegeben, weil seine Kassen leer sind.«
Rastafan schlug sich auf die Schenkel. »Das ist ja eine Katastrophe. Doron ist verarmt? Ach, ich verstehe, du bist hier, damit ich ihm mit etwas Gold aushelfe?«
»Du kannst dir deinen Spott sparen. Ich weiß selbst, dass es eine Lüge ist. Deshalb bin ich hier. Ich möchte, dass diesen Knaben geholfen wird.«
»Geholfen?«, stieß Rastafan völlig verdutzt hervor. Er schaute Jaryn prüfend an. »Du willst das? Du? Wie war das doch mit den Würmern, die von den Vögeln gefressen werden? Niederes Bauernvolk! Was kümmerst du dich plötzlich darum?«
Jaryn errötete. »Vielleicht habe ich nachgedacht.«
»Worüber denn? Dein vortrefflicher König hat es befohlen, also ist es wohl so beschlossen. Die Knaben werden verkauft und bringen ihm sicher einen Haufen Gold ein. Xaytan ist ja ein reiches Land.«
»Aber die Knaben werden betrogen!«
»Mag sein, aber das ist doch nicht neu. Margan betrügt die Bevölkerung von morgens bis abends. Nun sind ein paar Bauernsöhne dran. Was willst du? Sklaven werden verkauft, Sklaven wird es immer geben.«
»Rastafan! Diese Knaben sind aber freie Bauern. Sie werden gegen das Gesetz zu Sklaven gemacht.«
»Da musst du dich bei deinem König bedanken. Was habe ich damit zu tun?«
»Nichts, aber du könntest etwas für sie tun.«
Rastafan starrte Jaryn an. »Ich soll etwas für sie tun? Ist die Welt plötzlich verrückt geworden? Du als Sonnenpriester willst ein paar Bauernbengel vor der Sklaverei retten? Ich fasse es nicht. Dann kommst du zu einem Gesetzlosen, dem diese Bauernbengel noch gleichgültiger sind als dir, und willst … beim Siebenschwänzigen! Weshalb gehst du nicht selbst zu Doron und klärst das mit ihm?«
»Weil ich keinen Erfolg hätte. Ich allein kann gar nichts tun.«
»Aber weshalb, bei Nirgal, willst du überhaupt etwas tun? Kürzlich sagtest du noch: ›Wir Sonnenpriester singen und beten, das ist alles.‹«
»Du erinnerst dich, dass ich dir bei unserer ersten Begegnung sagte, Anamarna habe mich auserwählt. Du hattest dafür nur Verachtung übrig, aber es ist wahr: Ich wurde auserwählt, einen Mann zu suchen, der das Böse über Jawendor bringen wird, wenn ich ihn nicht rechtzeitig finde.«
»Und ich sagte dir, das Böse wohne bereits unter uns.«
»Ja, und du hattest recht.« Jaryn holte ein paarmal tief Atem. »Ich bin inzwischen zu der Überzeugung gelangt, dass ich den Mann nicht finden werde, solange ich das Böse, das bereits existiert, einfach nur hinnehme.«
Rastafan nickte spöttisch. »Diese Einsicht hast
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