Der Auftrag des Aeltesten
in die Quere kommen.«
»Du musst dich trotzdem vor ihnen in Acht nehmen«, sagte Oromis.
»Warum? Drei Worte, und sie sind erledigt.«
»Was fressen Fischadler?«
»Fisch, natürlich«, antwortete Eragon verwirrt.
»Wenn ein bestimmter Fisch etwas flinker und gewitzter ist als seine Brüder, kann er dann einem jagenden Fischadler entkommen?«
»Das bezweifle ich«, sagte Eragon. »Jedenfalls nicht sehr lange.«
»So wie diese Adler perfekte Fischjäger sind, sind Wölfe dazu geboren, Hirsche und anderes Großwild zu reißen. Jedes Tier besitzt die Fähigkeiten, die seinen Zwecken am besten dienen. Und die Ra’zac sind dazu geschaffen, Menschen zu jagen. Sie sind die Monster der Nacht, die geifernden Albträume, die dein Volk heimsuchen.«
Eragon kribbelte der Nacken vor Grauen. »Was sind das für Kreaturen?«
»Sie sind mit keinem der uns bekannten Völker verwandt, und sie sind auch keine Tiere, Reptilien oder Insekten, noch fallen sie in irgendeine andere Kategorie der Fauna.«
Eragon lachte gezwungen. »Sie sind doch wohl keine
Pflanzen
?«
»Auch das nicht. Sie pflanzen sich fort, indem sie wie Drachen Eier legen. Nachdem die Jungen, oder Larven, geschlüpft sind, entwickeln sie schwarze Exoskelette, die der menschlichen Gestalt ähneln. Es ist zwar eine groteske Imitation, aber es sieht so überzeugend aus, dass sich die Ra’zac ihren Opfern nähern können, ohne sofort aufzufallen. In allen Bereichen, in denen die Menschen schwach sind, sind die Ra’zac stark. Sie können selbst bei tiefster Dunkelheit klar sehen, wittern Spuren wie Bluthunde, springen höher und bewegen sich schneller als jeder Mensch. Helles Licht aber bereitet ihnen Schmerzen und sie fürchten sich vor tiefem Wasser, denn sie können nicht schwimmen. Ihre gefährlichste Waffe ist ihr giftiger Atem, der den Geist ihrer Opfer lähmt und die meisten Menschen bewegungsunfähig macht. Bei Zwergen wirkt er allerdings weniger stark und wir Elfen sind immun dagegen.«
Eragon schauderte, als ihm seine erste Begegnung mit den Ra’zac einfiel: Als sie ihn bemerkten, hatte er sich nicht mehr bewegen können. »Es war wie in einem Traum, in dem ich fortrennen wollte, aber es nicht konnte, wie sehr ich mich auch angestrengt habe.«
»Das ist eine gute Beschreibung«, sagte Oromis. »Obwohl die Ra’zac keine magischen Kräfte besitzen, darf man sie nicht unterschätzen. Wenn sie wissen, dass man sie jagt, zeigen sie sich nicht, sondern bleiben im Verborgenen. Dort sind sie stark und planen einen Hinterhalt, so wie sie es in Dras-Leona getan haben. Selbst Broms Erfahrung konnte ihn nicht vor ihnen retten. Werde niemals zu selbstsicher, Eragon! Und hüte dich vor Überheblichkeit, denn sie macht dich sorglos und nachlässig, und deine Feinde werden deine Schwäche ausnutzen.«
»Ja, Meister.«
Oromis fixierte Eragon mit einem scharfen Blick. »Die Ra’zac bleiben zwanzig Jahre lang im Larvenstadium und reifen während dieser Zeit heran. Beim ersten Vollmond ihres zwanzigsten Lebensjahres werfen sie das Exoskelett ab, breiten die Schwingen aus und sind nun ausgewachsene Exemplare, die fortan jedes Lebewesen jagen, nicht nur Menschen.«
»Dann sind die Flugrösser, auf denen die Ra’zac reiten, in Wirklichkeit...«
»Ja, es sind ihre Eltern.«
EIN PERFEKTES WUNSCHBILD
J etzt endlich verstehe ich die Natur meiner Feinde
, dachte Eragon. Er hatte die Ra’zac gefürchtet, seit er ihnen in Carvahall zum ersten Mal begegnet war, nicht nur wegen ihrer Gräueltaten, sondern auch weil er so wenig über diese Geschöpfe wusste. In seiner Unwissenheit hatte er den Ra’zac mehr Fähigkeiten zugeschrieben, als sie tatsächlich besaßen, und sie mit einer fast schon abergläubischen Furcht betrachtet.
Ein wahrer Albtraum.
Doch nachdem Oromis’ Ausführungen den Ra’zac ihre geheimnisvolle Aura genommen hatten, erschienen sie Eragon längst nicht mehr so übermächtig. Dass sie empfindlich auf Licht und Wasser reagierten, bestärkte ihn in seiner Überzeugung, dass er diese Monster, die Garrow und Brom getötet hatten, bei ihrer nächsten Begegnung vernichten könnte.
»Nennt man die Eltern auch Ra’zac?«, fragte er.
Oromis schüttelte den Kopf. »Wir haben sie ›Lethrblaka‹ genannt. Während ihre Nachkommen sehr einfältig sind, besitzen die Lethrblaka die Intelligenz von Drachen. Von sehr grausamen, bösartigen und perversen Drachen.«
»Woher stammen sie?«
»Aus welchem Land auch immer deine Vorfahren gekommen sind.
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