Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Auftrag des Aeltesten

Der Auftrag des Aeltesten

Titel: Der Auftrag des Aeltesten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Paolini
Vom Netzwerk:
Gesichter kündeten von Unterernährung, ihre Kleidung war zerschlissen. Fast jeder hatte sich Lumpen um die Hände gewickelt, um sich in den eisigen Gebirgsnächten vor Erfrierungen zu schützen. Einst stolze Schultern waren gebeugt, nachdem sie wochenlang schwere Lasten geschleppt hatten. Doch den schlimmsten Anblick boten die Kinder: Sie waren dürr und unnatürlich still.
    Diese Menschen haben etwas Besseres verdient
, dachte Roran. 
Hätten sie mich nicht beschützt, befände ich mich jetzt in den Klauen der Ra’zac.
    Zahlreiche Leute kamen auf Roran zu. Die meisten wollten nichts weiter als ein Schulterklopfen oder ein tröstendes Wort. Einige boten ihm etwas zu essen an, was er ablehnte oder annahm, wenn sie darauf bestanden, und dann an jemand anderen weitergab. Diejenigen, die sich von ihm fern hielten, beobachteten ihn aus großen, runden, glanzlosen Augen. Er wusste, dass sie ihm nachsagten, er wäre wahnsinnig und von Geistern besessen und nicht einmal die Ra’zac könnten ihn im Kampf besiegen.
    Den Buckel zu überqueren, war schwerer gewesen, als selbst Roran es erwartet hatte. Die einzigen sichtbaren Pfade durch den Wald waren Wildwechsel gewesen, die zu schmal, zu steil oder zu verschlungen waren, als dass die Dorfbewohner ihnen hätten folgen können. Deshalb hatten sie sich häufig durchs Unterholz schlagen müssen, was eine ungeheure Mühsal war, die alle verabscheuten, nicht zuletzt deshalb, weil sie so Spuren legten, auf denen die Schergen des Imperiums sie leicht verfolgen konnten. Der einzige Vorteil war, dass Roran auf diese Weise seine verletzte Schulter trainierte und zu alter Stärke zurückfand, obwohl er immer noch Schwierigkeiten hatte, den Arm über eine bestimmte Höhe hinaus zu heben.
    Andere Widrigkeiten forderten ebenfalls ihren Tribut. Auf einem kahlen Gebirgspass oberhalb der Baumgrenze hatte sie ein Sturm überrascht. Drei Menschen waren im Schneegestöber erfroren: Hida, Brenna und Nesbit, die alle schon sehr alt gewesen waren. In jener Nacht war Roran zum ersten Mal davon überzeugt gewesen, dass die Dorfbewohner allesamt sterben würden, nur weil sie ihm gefolgt waren. Kurz danach brach sich ein Junge bei einem Sturz den Arm und dann ertrank Southwell in einem Gletscherfluss. Wölfe und Bären ignorierten die Wachfeuer, die die Dorfbewohner entzündeten, seit man sie vom Palancar-Tal aus nicht mehr sehen konnte, und rissen regelmäßig ihr Vieh. Der Hunger nagte an den Menschen wie ein erbarmungsloses Raubtier, fraß sich in ihre Gedärme, raubte ihnen die Kraft und zersetzte ihren Willen, den mühseligen Marsch fortzusetzen.
    Trotzdem überlebten sie und bewiesen dabei dieselbe Ausdauer und Tapferkeit, die ihre Ahnen trotz Hungersnöten, Krieg und Pestilenz im Palancar-Tal hatten bleiben lassen. Die Menschen aus Carvahall mochten eine Ewigkeit brauchen, um einen Entschluss zu fassen, aber wenn es einmal vollbracht war, konnte sie nichts mehr von ihrem Vorhaben abbringen.
    Mit der Hafenstadt Narda vor Augen, machten sich im Lager eine zarte Hoffnung und vorsichtiger Optimismus breit. Niemand wusste, was ihnen als Nächstes bevorstand, aber die Tatsache, überhaupt so weit gekommen zu sein, erfüllte sie mit Zuversicht.
    Wir sind erst in Sicherheit, wenn wir das Imperium verlassen haben
, dachte Roran. 
Und es ist meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass man uns nicht gefangen nimmt. Ich bin für jeden hier verantwortlich...
Diese Verantwortung hatte er aus ganzem Herzen auf sich genommen, weil es ihm sowohl erlaubte, die Dorfbewohner vor Galbatorix zu schützen, als auch sein eigentliches Ziel zu verfolgen, nämlich Katrina zu befreien. 
Es ist schon so lange her, seit sie entführt wurde. Ob sie überhaupt noch am Leben ist?
 Er schauderte und verdrängte den Gedanken. Wenn er zuließ, dass er über Katrinas Schicksal nachgrübelte, würde er wahnsinnig werden.
     
    Im Morgengrauen brachen Roran, Horst, Baldor, Lorings drei Söhne und Gertrude nach Narda auf. Sie stiegen von den Hügeln zur Straße hinunter, die in die Stadt führte, und gaben dabei Acht, dass sie niemand sah, bis sie unten ankamen. Hier im Tiefland kam Roran die Luft dicker vor; es fühlte sich fast an, als würde er unter Wasser atmen.
    Er packte den im Gürtel steckenden Hammer, als sie auf Nardas Stadttor zugingen. Zwei Soldaten hielten davor Wache. Sie musterten Roran und seine Gefährten mit harten Blicken, betrachteten ihre zerlumpte Kleidung, dann kreuzten sie die Lanzen und versperrten ihnen den

Weitere Kostenlose Bücher