Der Auftrag des Aeltesten
Iduna und Nëya«, flüsterte Oromis.
Auf Islanzadis Schulter krächzte Blagden: »
Wyrda!«
Die beiden Elfen hoben die Hände an die Halsbroschen, öffneten sie und ließen ihre weißen Gewänder zu Boden gleiten. Darunter trugen sie nichts außer einer schillernden Drachentätowierung, die den gesamten Körper bedeckte. Die Tätowierung begann mit dem Drachenschwanz, der sich um Idunas linken Fußknöchel wand und über Wade, Schenkel und Oberkörper aufstieg, sich über Nëyas Rücken fortsetzte und mit dem Drachenkopf auf ihrer Brust endete. Jede einzelne Schuppe des Drachen hatte eine andere Farbe. Die leuchtenden Schattierungen ließen die Tätowierung schillern wie einen Regenbogen.
Die beiden Elfen schlangen Hände und Arme umeinander, sodass der Drache wie aus einem Stück aussah und sich lückenlos von einem Körper zum anderen fortsetzte. Dann hob jede einen nackten Fuß und rammte ihn mit einem dumpfen Schlag auf den Boden.
Noch ein Schlag.
Beim dritten Mal schlugen die Musiker auf ihre Trommeln, beim vierten Schlag glitten die Finger der Harfenspieler über die Saiten ihrer goldenen Instrumente und im nächsten Moment fielen die Flöten in die pulsierende Melodie ein.
Iduna und Nëya fingen an zu tanzen, anfangs langsam, dann immer schneller. Sie stampften die Füße rhythmisch auf den Boden und wanden sich in schlangenhaften Bewegungen umeinander, bis es aussah, als würden nicht sie sich bewegen, sondern der Drache auf ihrer Haut, der in endlosen Kreisen um sie herumflog.
Dann begannen die beiden, zur Musik zu singen, und stießen zum stampfenden Rhythmus gellende Rufe aus. Die Worte waren Teil eines derart verschlungenen Zaubers, dass Eragon kaum etwas verstand. Wie der anschwellende Wind vor einem Sturm, so begleiteten die anderen Elfen die Beschwörung, sangen mit einem Mund, mit nur einem Geist und nur einem Ziel. Eragon kannte den Text nicht, merkte aber, dass er trotzdem mit einstimmte, gepackt von der unentrinnbaren Kraft der Melodie. Auch Saphiras und Glaedrs Stimmen gesellten sich zu dem Gesang. Das tiefe Summen aus ihren Kehlen war so kräftig, dass Eragon den Ton in den Knochen spürte und eine Gänsehaut bekam.
Iduna und Nëya wirbelten immer schneller umeinander, bis ihre Füße über den Boden zu fliegen schienen, ihre wallenden Haare im Wind flatterten und ihre Körper schweißnass glänzten. Die beiden Elfen tanzten in einem überirdischen Tempo und die Musik erreichte einen fiebrigen Höhepunkt. Dann flammte über der Drachentätowierung ein Licht auf, vom Kopf bis hinab zum Schwanz, und der Drache regte sich. Zuerst dachte Eragon, seine Augen würden ihn trügen, bis das Geschöpf sich bewegte, die Flügel hob und die Klauen zusammenballte.
Eine Flammenexplosion schoss aus seinen Nüstern und er richtete sich auf, löste sich aus der Haut der beiden Elfen, flog empor und verharrte in einiger Höhe in der Luft. Die Schwanzspitze blieb mit den beiden Tänzerinnen am Boden verbunden, wie eine glühende Nabelschnur. Das riesige Wesen starrte zum schwarzen Mond auf und stieß ein gewaltiges, aus den Anfängen der Zeit stammendes Brüllen aus, dann drehte es sich um und blickte auf die versammelten Elfen herab.
Als der Blick des Drachen auf Eragon fiel, wusste dieser, dass das Geschöpf keine Erscheinung und auch kein Trugbild war, sondern ein lebendiges, bewusstes Wesen, das mit magischer Kraft am Leben gehalten wurde. Saphiras und Glaedrs Summen wurde so laut, dass Eragon nichts anderes mehr hörte. Über ihnen flog der Urvater des Drachenvolkes über die Elfen hinweg und streifte sie mit einem geisterhaften Flügel. Er hielt vor Eragon inne und richtete seinen Schwindel erregenden Blick auf ihn. Getrieben von einem plötzlichen Impuls, hob Eragon den rechten Arm und zeigte dem Drachen das kribbelnde, silberne Mal auf seiner Handfläche, die
Gedwëy Ignasia
.
In seinem Geist hallte eine dröhnende Stimme wider:
Das ist unsere Gabe an dich, damit du tun kannst, was man von dir erwartet.
Der Drache neigte den Kopf herab und berührte mit der Schnauze Eragons schimmernde Handfläche. Ein Funke sprang zwischen ihnen hin und her, und Eragon erstarrte, als eine glühende Hitzewelle seinen Körper durchströmte und sein Inneres verzehrte. In seinem Blickfeld explodierten rote und schwarze Blitze und die Narbe auf seinem Rücken brannte wie unter glühendem Eisen. Um sich in Sicherheit zu bringen, ließ er sich tief in sein Inneres hineinfallen, wo die Dunkelheit nach ihm griff
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