Der Auftrag des Aeltesten
Vertrauensbeweis. Es ehrte und rührte ihn. Er neigte den Kopf. »Ich würde mich bemühen, ein so guter Anführer zu sein, wie du es bist und dein Vater es war. Du ehrst mich, Nasuada.«
»Ja, das tue ich.« Sie wandte sich um und kehrte zu den anderen zurück.
Noch immer überwältigt von Nasuadas Eröffnung, die seinen Zorn etwas beschwichtigt hatte, kehrte Eragon zu Saphira zurück. Er studierte Nar Garzhvog und die anderen Urgals und versuchte, ihre Stimmung einzuschätzen, doch ihre Gesichtszüge waren so anders als diejenigen, an die er gewöhnt war, dass er ihnen nichts zu entnehmen vermochte. Auch gelang es ihm nicht, für die Urgals auch nur einen Hauch von Sympathie aufzubringen. Für ihn waren sie wilde Tiere, die ihn bei der erstbesten Gelegenheit umbringen würden, die nicht fähig waren, Liebe und Güte zu empfinden, und noch nicht einmal echte Intelligenz besaßen. Kurz gesagt, sie waren niedere Geschöpfe.
Tief in seinem Geist flüsterte Saphira:
Ich bin mir sicher, Galbatorix ist derselben Meinung.
Und zwar aus gutem Grund,
brummte er, um sie zu ärgern. Er unterdrückte seinen Abscheu und sagte laut: »Nar Garzhvog, mir wurde berichtet, dass ihr vier bereit seid, euch von mir überprüfen zu lassen.«
»Das stimmt, Feuerschwert. Die Nachtjägerin hat diese Bedingung gestellt. Es ist eine große Ehre für uns, Seite an Seite mit einem so mächtigen Krieger kämpfen zu dürfen, der so viel für uns getan hat.«
»Wie meinst du das? Ich habe dutzende von Urgals getötet.« Plötzlich fielen Eragon Passagen aus Oromis’ Schriftrollen ein. Er erinnerte sich, gelesen zu haben, dass die Urgals, Männer wie Frauen, ihre Stellung in der Gesellschaft durch den Kampf bestimmten und dass es vor allem diese Praxis war, die zu vielen Konflikten zwischen Urgals und anderen Völkern geführt hatte. Und wenn sie ihn, Eragon, so sehr für seine Heldentaten in der Schlacht rühmten, räumten sie ihm damit gewissermaßen den gleichen Status ein wie einem ihrer Kriegshäuptlinge.
»Indem du Durza getötet hast, hast du uns von seinem Einfluss befreit. Wir stehen in deiner Schuld, Feuerschwert. Du hast von uns nichts zu befürchten, und wenn du und dein Drache, Flammenzunge, unsere Hallen besucht, wird man euch als Freunde empfangen.«
Eragon hatte mit allem gerechnet, nur nicht damit, dass die Urgals ihm dankbar sein würden, und er fragte sich, wie er darauf reagieren sollte. Da ihm nichts Besseres einfiel, sagte er nur: »Ich werde es mir merken.« Er blickte kurz zu den anderen Urgals, dann schaute er wieder in Nar Garzhvogs gelbe Augen. »Bist du bereit?«
»Ja, Drachenreiter.«
Als Eragon nach Nar Garzhvogs Bewusstsein tastete, erinnerte er sich daran, wie die Zwillinge nach seiner Ankunft in Farthen Dûr in seinen Geist eingedrungen waren. Der Gedanke wurde hinfortgespült, als er in die Persönlichkeit des Kull eintauchte. Der Zweck seiner Suche - nämlich böse Absichten zu erkennen, die sich womöglich irgendwo in der Vergangenheit verbargen - erforderte, dass Eragon Jahre von Erinnerungen durchforsten musste. Im Gegensatz zu den Zwillingen vermied er es, dabei absichtlich Schmerzen zu bereiten, aber er ging auch nicht besonders sanft vor. Einige Male spürte er, wie Nar Garzhvog unbehaglich zusammenzuckte. Wie bei den Zwergen und Elfen besaß auch der Geist eines Urgals andere Elemente als der des Menschen. Seine Struktur betonte Starrheit und Hierarchie - ein Resultat der Stammesorganisation der Urgals - und fühlte sich roh, brutal und verschlagen an: der Geist eines wilden Tieres.
Obwohl er sich nicht bemühte, mehr über Nar Garzhvog als Individuum zu erfahren, lernte Eragon doch einiges über dessen Leben. Der Kull widersetzte sich nicht. Er schien sogar darauf erpicht zu sein, ihm seine Erlebnisse zu zeigen, um Eragon davon zu überzeugen, dass Urgals nicht von Natur aus seine Feinde waren.
Wir können es uns nicht leisten, dass ein weiterer Drachenreiter an die Macht gelangt, der uns vernichten will. Sieh genau hin, o Feuerschwert, und versuche zu erkennen, ob wir wirklich die Ungeheuer sind, für die du uns hältst
...
Es stürmten so viele Bilder und Empfindungen auf Eragon ein, dass er fast den Überblick verlor: Nar Garzhvogs Kindheit in einem halb verfallenen Dorf tief im Herzen des Buckels. Seine Mutter, die ihm mit einem Kamm aus Hirschgeweih durch die Haare fuhr und ihm dabei leise vorsang. Wie er lernte, mit bloßen Händen Wild zu erlegen, wie er wuchs und wuchs, bis
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