Der Auftrag des Aeltesten
offenkundig war, dass in seinen Adern noch das alte Blut floss und er über zweieinhalb Meter groß werden würde und damit ein richtiger Kull. Die unzähligen Mutproben, denen man ihn unterzog und die er alle bestand. Wie er sein Dorf verließ, um sich einen Namen zu machen, damit er später eine Frau für die Paarung finden würde. Und wie er allmählich anfing, die Welt zu hassen und zu fürchten - ja, zu
fürchten
-, die sein Volk verdammt hatte. Die Schlacht in Farthen Dûr, die Entdeckung, dass Durza sie manipuliert hatte, und die Erkenntnis, dass ihre einzige Hoffnung auf ein besseres Leben darin bestand, alte Differenzen auszuräumen, sich mit den Varden zu verbünden und Galbatorix zu stürzen. Ein Anzeichen dafür, dass Nar Garzhvog log, konnte er nirgends finden.
Eragon verstand nicht, was er gesehen hatte. Er verließ Nar Garzhvogs Geist und überprüfte die drei anderen Urgals. Ihre Erinnerungen bestätigten nur, was er zuvor erfahren hatte. Sie verbargen nicht, dass sie Menschen getötet hatten, doch das war auf Durzas Befehl hin geschehen, als der Zauberer sie noch beherrschte oder als sie um Land oder Essen kämpfen mussten.
Wir haben getan, was wir tun mussten, um für unsere Familien zu sorgen,
vermittelten sie ihm.
Als Eragon fertig war, baute er sich vor Nar Garzhvog auf und wusste, dass der Stammbaum des Urgals so makellos wie der eines Prinzen war. Er wusste, dass Nar Garzhvog zwar ungebildet, aber dennoch ein brillanter Kommandeur und ein genauso großer Denker und Philosoph war wie Oromis.
Auf jeden Fall ist er klüger als ich,
gestand Eragon Saphira. Er hob das Kinn und entblößte die Kehle als Zeichen seines Respekts. »Nar Garzhvog«, sagte er, und plötzlich dämmerte ihm, dass »Nar« offenbar ein angesehener Titel war. »Ich bin stolz, dich an meiner Seite zu haben. Du kannst deiner Herndall ausrichten, dass ich nicht gegen euch vorgehe, solange ihr zu eurem Wort steht und euch nicht gegen die Varden wendet.« Eragon bezweifelte zwar, dass er einen Urgal jemals
mögen
würde, aber die eisernen Vorurteile, die er noch vor wenigen Minuten gehegt hatte, kamen ihm jetzt haltlos vor, und er konnte sie nicht länger mit seinem Gewissen vereinbaren.
Saphira stupste ihn mit der rauen Zunge an, sodass die Ketten leise rasselten.
Es verlangt Mut zuzugeben, dass man sich getäuscht hat.
Nur wenn man Angst hat, wie ein Narr dazustehen. Ich hätte noch viel dümmer ausgesehen, wenn ich an einem Irrglauben festgehalten hätte.
Was du da gerade gesagt hast, war sehr weise, Kleiner.
Trotz ihres scherzhaften Tones spürte er deutlich, wie stolz sie auf ihn war.
»Wir stehen schon wieder in deiner Schuld, Feuerschwert«, sagte Nar Garzhvog. Er und die anderen Urgals schlugen sich mit der Faust an die vorgewölbte Stirn.
Eragon merkte, dass Nasuada gern genau gewusst hätte, worum es ging, doch sie hielt sich zurück. »Gut. Das wäre also erledigt. Ich muss weiter. Eragon, Trianna wird dir mein Signal übermitteln, wenn die Zeit gekommen ist.« Damit wandte sie sich um und verschwand in der Dunkelheit.
Als Eragon sich wieder zu Saphira setzte, rutschte Orik zu ihm heran. »Zum Glück werden die Zwerge da sein, was? Wir werden die Kull mit Argusaugen beobachten. Wir werden nicht zulassen, dass sie dir in den Rücken fallen, Schattentöter. Wenn sie dich angreifen, schneiden wir ihnen die Beine ab.«
»Ich dachte, du wärst wie Nasuada der Meinung, wir sollten das Angebot der Urgals annehmen.«
»Das heißt aber nicht, dass ich ihnen traue und gern mit ihnen zusammen bin.«
Eragon lächelte und machte sich nicht die Mühe, dem Zwerg zu widersprechen. Wie sollte er Orik klar machen, dass die Urgals gar keine mordlustigen Ungeheuer waren, wo er selbst noch vor kurzem ganz anderer Meinung gewesen war?
Die Nacht umfing sie wie ein schwarzer Umhang, während sie auf den Morgen warteten. Orik zog einen Wetzstein aus der Tasche und schärfte das gebogene Blatt seiner Streitaxt. Als die anderen Zwerge eintrafen, folgten sie seinem Beispiel, und das Schaben von Metall auf Stein erfüllte die Luft mit einem knirschenden Kanon. Die Kull saßen Rücken an Rücken und sangen leise ihre Todeslieder. Eragon vertrieb sich unterdessen die Zeit damit, sich selbst, Saphira, Orik und sogar Arya mit Schutzzaubern zu belegen. Er wusste, dass es gefährlich war, so viele Personen zu schützen, aber er hätte es nicht ertragen, falls einem von ihnen etwas zustoßen würde. Als er fertig war,
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