Der Auftraggeber
unsere Sekretärin entsprechend präpariert. Sie hat Lev mitgeteilt, ein Freund im kanadischen Geheimdienst habe uns den Tip gegeben, in Quebec City lebe möglicherweise ein Mitglied des Islamischen Dschihads, und wir seien nach QC unterwegs, um uns den Mann anzusehen. Daraufhin kommt die nächste Zigarre von Lev: Mit wessen Genehmigung? Erbitte Namen des mutmaßlichen ID-Aktivisten. Sie verstehen, was ich meine, Boß.«
Schamron fluchte leise. »Schicken Sie ihm eine Nachricht, wenn Sie wieder in Ottawa sind. Teilen Sie ihm mit, der Tip sei wertlos gewesen.«
»Hören Sie, Boß, wir arbeiten schon lange zusammen. Aber Sie gehen bald wieder in den Ruhestand, und dann wird Lev vielleicht Ihr Nachfolger. Er könnte mir das Leben zur Hölle machen. So was macht ihm Spaß. Er ist ein Dreckskerl.«
»Lassen Sie Lev meine Sorge sein. Sie haben nur getan, was ich Ihnen aufgetragen habe.«
»Ich bin nur Befehlsempfänger - stimmt's, Boß?«
Jadins Mobiltelefon zirpte leise. Er klappte es auf und hielt es an sein Ohr. »Ja?«
Eine Pause.
»Wann?«
Wieder eine Pause.
»Wohin?«
Erneut eine Pause, diesmal etwas länger.
»Bleibt dran. Aber denkt daran, mit wem ihr's zu tun habt. Haltet sicheren Abstand.«
Jadin klappte das Mobiltelefon zu und warf es auf die Abdeckung über dem Armaturenbrett.
»Was gibt's?« fragte Schamron.
»Er ist unterwegs.« »
»Was ist mit Jacqueline?«
»Mit ihm zusammen.«
»Wohin unterwegs?«
»Anscheinend zu einem Einkaufsbummel.«
»Beschaffen Sie mir ein Foto, Zvi. Ich muß wissen, ob er's wirklich ist.«
Es gibt zwei Montreals. Das eine ist das oberirdische Montreal, das sich im Winter in eine Schneewüste verwandelt. Eisige arktische Winde heulen zwischen den Wolkenkratzern hindurch und pfeifen durchs Gassengewirr der Old City am Fluß. Und dann gibt es das unterirdische Montreal: ein Labyrinth aus glitzernden Läden, Cafés, Bars, Märkten und Boutiquen für Designermode, das sich unter einem großen Teil der Innenstadt ausbreitet und eine viele Straßenblocks lange Fußgängerzone bildet.
Der passende Ort, um diese Geschichte zu beenden, dachte Jacqueline; zwei Welten, zwei Ebenen, zwei Realitäten. Ich bin Jacqueline Delacroix, das Model, Ich bin Dominique Bonard, Sekretärin bei Isherwood Fine Arts in London. Ich bin Sarah Halévy, das jüdische Mädchen aus Marseille, eine Agentin des Diensts. Sie hatte mehr Schichten als Montreal.
Sie ging neben ihm her. Seine Hand lag leicht auf ihrer Schulter, und er benutzte sie, um sie durch die Masse der abends Einkaufenden zu dirigieren. Jacqueline studierte das an ihr vorbeiströmende Kaleidoskop aus Gesichtern: gutaussehende junge Franzosen und Französinnen, Araber, Afrikaner, Juden - die buntscheckige ethnische Vielfalt, die Montreal ausmachte. Hätte deren Französisch nicht eigenartig stumpf geklungen, hätte sie vergessen können, daß sie Paris jemals verlassen hatte.
Er kontrollierte, ob sie beschattet wurden - das merkte Jacqueline deutlich. Er blieb vor Schaufenstern stehen, wechselte abrupt die Richtung und erfand Ausreden, um mehrmals ein Stück zurückgehen zu können. Sie konnte nur hoffen, daß Schamrons Leute gut waren. Waren sie das nicht, würde Tariq sie entdecken.
Sie gingen durch die exklusiven Shops unter der Rue Ste. Catherine. In einem suchte sie sich einen langen Daunenmantel aus. In einem anderen entschied sie sich für eine Pelzmütze. Im dritten kaufte sie zwei Jeans und mehrere Garnituren lange Unterwäsche. Er wich keinen Augenblick von ihrer Seite. Als sie in einer Umkleidekabine verschwand, um die Jeans anzuprobieren, wartete er davor und lächelte die Verkäuferinnen freundlich an. Er bezahlte alles mit einer auf den Namen Lucien Daveau ausgestellten Kreditkarte.
Nachdem die Einkäufe erledigt waren, gingen sie in Richtung Hotel zurück. Worauf wartet ihr noch? fragte sich Jacqueline. Los, schlagt zu! Erledigt ihn. Aber das war hier nicht möglich nicht im unterirdischen Montreal. Das gesamte Labyrinth aus Einkaufspassagen ließ sich minutenschnell abriegeln. Gabriel und alle Mitglieder des Teams wären darin gefangen gewesen. Sie wären festgenommen und verhört worden. Die Polizei hätte eine Verbindung zum Dienst hergestellt, und dieser Skandal hätte Schamron den Kopf gekostet.
Da er vorschlug, vor dem Abendessen einen Kaffee zu trinken, betraten sie eine Espressobar in der Nähe des Hotels. Während er mit kleinen Schlucken seinen Cappuccino trank, blätterte Jacqueline eine ausliegende
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