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Der Auftraggeber

Der Auftraggeber

Titel: Der Auftraggeber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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achten. Da sie selbst eine Ausbildung in unpersönlicher Kommunikation erhalten hatte, erkannte sie sofort, wenn jemand etwas durch Zeichensprache signalisierte. Der Beginn des nächsten Akts stand unmittelbar bevor.
    Tariq beobachtete sie aus der Hotelbar. Sein Aussehen hatte sich seit Lissabon verändert: anthrazitgraue Hose, cremefarbener Pullover, schneeweißes Hemd, modische Krawatte, italienischer Blazer. Er war sorgfältig rasiert und trug eine goldgeränderte Brille mit kleinen ungeschliffenen Gläsern. Sein Haar war an den Schläfen leicht ergraut.
    Obwohl er bereits ein Foto dieser Frau, die sich Dominique Bonard nannte, gesehen hatte, staunte er jetzt über ihre Erscheinung. Er fragte sich, wie Schamron und Gabriel Allon es rechtfertigen konnten, eine Frau wie sie solcher Gefahr auszusetzen.
    Er sah sich in der Hotelhalle um. Er wußte, daß sie hier waren, irgendwo zwischen den Touristen, den Geschäftsleuten und den Hotelangestellten verborgen. Schamrons Beobachter. Tariq hatte ihre Ressourcen strapaziert, indem er die Frau aus London über Paris nach Montreal gebracht hatte. Aber sie hatten sich bestimmt umgruppiert und ihre Leute in Stellung gebracht. Er wußte, daß er sich seinen Feinden erstmals zeigen würde, wenn er sich der Frau näherte.
    Tariq merkte, daß er sich tatsächlich auf diesen Augenblick freute. Nach all den Jahren im Schatten würde er endlich ans Licht treten. Am liebsten hätte er gerufen: Hier bin ich! Seht, ich bin ein Mensch wie ihr, aus Fleisch und Blut, kein Monster! Er schämte sich seines Lebenswerks nicht. Ganz im Gegenteil: Er war stolz darauf. Und er fragte sich, ob Allon das ebenfalls sagen konnte.
    Ihm war bewußt, daß er Allon gegenüber in einem entscheidenden Punkt im Vorteil war. Er wußte, daß er bald sterben würde. Sein Leben war zu Ende. Allen Gefahren zum Trotz hatte er lange überlebt, nur um zuletzt nicht von seinen Feinden, sondern von seinem eigenen Körper besiegt zu werden. Das Wissen von seinem bevorstehenden Tod würde er wie eine Waffe einsetzen - als die wirksamste Waffe, die er je besessen hatte.
    Tariq stand auf, strich die Revers seines Blazers glatt und durchquerte die Hotelhalle.
    Sie fuhren mit dem Lift in den 14. Stock hinauf, gingen einen stillen Korridor entlang, blieben vor Zimmer 1417 stehen. Er öffnete die Tür mit einer elektronischen Schlüsselkarte, die er danach wieder in seine Jackentasche steckte. Als Jacqueline eintrat, notierte sie automatisch: eine kleine Suite, Wohn- und Schlafzimmer getrennt. Auf dem Couchtisch ein Tablett mit einem nur halb aufgegessenen Salat. Auf dem Teppichboden ein Schalenkoffer, aufgeklappt, noch unausgepackt.
    Er streckte ihr seine Hand hin. »Ich bin Lucien Daveau.«
    »Dominique Bonard.«
    Er lächelte: herzlich, selbstbewußt. »Meine Mitarbeiter haben mir berichtet, daß Sie eine sehr schöne Frau sind, aber ich sehe, daß die Beschreibung Ihnen nicht gerecht geworden ist.«
    Sein Benehmen und seine Ausdrucksweise waren ganz und gar französisch. Hätte sie nicht gewußt, daß er ein Palästinenser war, hätte sie ihn für einen wohlhabenden Pariser gehalten.
    »Sie sind anders, als ich erwartet hatte«, gab sie ehrlich zu.
    »Ach, wirklich? Was hatten Sie denn erwartet?«
    Er testete sie bereits - das spürte sie deutlich.
    »Jusef hat gesagt, Sie seien ein Intellektueller. Vermutlich habe ich jemanden mit langen Haaren erwartet, der Jeans und einen Pullover mit Löchern an den Ellbogen trägt.«
    »Jemanden, der studentenhafter ist?«
    »Ja, das ist der richtige Ausdruck.«
    Sie lächelte mühsam. »Sie sehen nicht schrecklich studentenhaft aus.«
    »Das liegt daran, daß ich kein Student bin.«
    »Ich würde fragen, was Sie von Beruf sind, aber Jusef hat mich gebeten, nicht zu viele Fragen zu stellen. Deshalb werden wir uns wohl darauf beschränken müssen, freundlich Konversation zu machen.«
    »Daß ich zuletzt mit einer schönen Frau freundlich Konversation gemacht habe, liegt lange zurück. Ich glaube, ich werde die kommenden Tage sehr genießen.«
    »Sind Sie schon lange in Montreal?«
    »Sie haben mir eben eine Frage gestellt, Dominique.«
    »Entschuldigung, ich wollte nur…«
    »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Das war nur ein Scherz. Ich bin heute morgen angekommen. Wie Sie sehen, habe ich noch nicht mal Zeit gehabt, meinen Koffer auszupacken.«
    Sie ging vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer hinüber.
    »Sie können ganz unbesorgt sein«, sagte er. »Ich schlafe auf dem

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