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Der Auftraggeber

Der Auftraggeber

Titel: Der Auftraggeber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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gehofft, daß sie es taten. Sie empfand eine perverse Befriedigung bei dem Gedanken, daß Juden - selbst Juden, die sich als ein italienischer Restaurator und seine Schweizer Lebensgefährtin tarnten - ihr Vergnügen in einer Stadt suchten, in der sie so schlimmen Verfolgungen ausgesetzt gewesen waren.
    Gabriel erinnerte sich an die feuchte Hitze von Leahs Körper, an den Geschmack von Salz auf ihrer Haut. Hinterher hatten sie geschlafen. Als er aufgewacht war, hatte sie auf der Bettkante gesessen und ihn ernst beobachtet. »Ich möchte, daß dies dein letzter Einsatz ist. Ich kann dieses Leben nicht länger ertragen. Ich will, daß du den Dienst verläßt und etwas Normales tust. Wir können irgendwo in Europa leben, und du kannst als Restaurator arbeiten. Versprich mir das, Gabriel.«
    Schamron gesellte sich am Strand zu ihm.
    Gabriel blickte auf. »Warum sind Sie auf Ihren Posten zurückgekehrt? Warum sind Sie nicht in Tiberias geblieben und haben den Ruhestand genossen? Warum sind Sie zurückgerannt, sobald man Sie gerufen hat?«
    »Zuviel Unerledigtes. Ich kenne niemanden, dessen Angelegenheiten ganz geordnet waren, als er aus der Geheimdienstwelt ausgeschieden ist. Jeder von uns hinterläßt unerledigte Kleinigkeiten. Alte Unternehmen, alte Feinde. Die zerren an einem wie Erinnerungen an alte Liebesaffären. Außerdem konnte ich nicht mitansehen, wie der Elsässer und  Lev versucht haben, meinen Dienst zu ruinieren.«
    »Warum haben Sie Lev behalten?«
    »Weil ich ihn behalten mußte. Lev hat dem Premierminister klipp und klar erklärt, daß er nicht stillschweigend gehen würde, wenn ich versuchen würde, ihn hinauszudrängen. Und der Premierminister wollte auf keinen Fall eine handlungsunfähige Operationsabteilung. Er hat weiche Knie bekommen und Lev unangreifbar gemacht.«
    »Er ist eine Schlange.«
    »Der Premierminister?«
    »Lev.«
    »Aber eine Giftschlange, mit der man vorsichtig umgehen muß. Als der Elsässer abgetreten ist, hat Lev geglaubt, er müsse automatisch sein Nachfolger werden. Lev ist kein junger Mann mehr. Er spürt, daß die Schlüssel zum Thronsaal ihm aus den Fingern gleiten. Gehe ich bald wieder, bekommt Lev vielleicht noch seine Chance. Bleibe ich jedoch bis zum Ende meiner Amtszeit, klebe ich an meinem Sessel und weigere mich zu sterben, entscheidet der Premierminister sich vielleicht für einen jüngeren Nachfolger. Logischerweise zähle ich Lev nicht zu meinen Anhängern am King Saul Boulevard.«
    »Mich hat er nie gemocht.«
    »Weil er neidisch auf Sie war. Neidisch auf Ihre beruflichen Leistungen. Neidisch auf Ihr Talent. Neidisch, weil Sie in Ihrem Tarnberuf das Dreifache von Levs Gehalt verdient haben. Mein  Gott, er hat Sie sogar um Leah beneidet! Sie haben alles verkörpert, was Lev gern gewesen wäre, und dafür hat er Sie gehaßt.«
    »Er wollte in das Team, das die Leute vom Schwarzen September aufgespürt hat.«
    »Lev ist brillant, aber kein Mann für solche Einsätze. Sein Platz ist in der Zentrale.«
    »Weiß er, daß Sie hier sind?«
    »Er weiß nichts«, antwortete Schamron eisig. »Und falls Sie sich zur Rückkehr entschließen, erfährt er auch davon nichts. Ich führe Sie persönlich - genau wie früher.«
    »Tariqs Tod bringt Dani nicht wieder zurück. Oder Leah. Haben Sie denn nichts dazugelernt? Bei unserer Jagd auf die Leute vom Schwarzen September haben wir nicht gemerkt, daß die Ägypter und Syrer Kriegsvorbereitungen getroffen haben, um uns ins Meer zu treiben. Und das wäre ihnen fast gelungen. Wir haben dreizehn Mitglieder des Schwarzen Septembers liquidiert, aber das hat keinen unserer in München ermordeten Jungs wieder lebendig gemacht.«
    »Ja, aber es war befriedigend.«
    Gabriel schloß die Augen und sah ein Wohngebäude an der Piazza Annabaliano in Rom vor sich, ein dunkles Treppenhaus, einen auffällig hageren palästinensischen Übersetzer namens Wadal Abdel Zwaiter, Operationschef des Schwarzen Septembers in Italien. Er erinnerte sich, daß eine Nachbarin Klavier geübt hatte - ein ziemlich langweiliges Stück, das er nicht kannte -, und glaubte wieder einmal, das entsetzlich dumpfe Geräusch der Kugeln zu hören, die Fleisch und zerbrechende Knochen durchschlugen. Einer seiner Schüsse hatte Zwaiter verfehlt und eine Flasche Feigenwein getroffen, die der Mann unmittelbar zuvor gekauft hatte. Gabriel mußte immer daran denken, wie der bräunlichpurpurrote Wein über den Steinboden gelaufen war und sich mit dem Blut des Sterbenden vermischt

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