Der Auftraggeber
etwas sagen, Gabriel: Ich würde viel lieber gegen einen Todfeind als gegen einen Feind kämpfen, der es für zweckmäßig hält, sich als Freund auszugeben.«
Schamron nahm die Brille ab und rieb sich die Stelle am Nasensattel, wo das modische Schildpattgestell ihn drückte. Er war gealtert; die Falten um die Augen waren tiefer geworden, das sah Gabriel im Feuerschein, als er sich die nächste Zigarette anzündete. Nicht einmal der große Schamron war gegen die verheerenden Wirkungen der Zeit gefeit.
»Wissen Sie, was in Amman passiert ist?« fragte Schamron.
»Das habe ich in der Zeitung gelesen. Ich weiß auch, was in der Schweiz passiert ist.«
»Ah, die Schweiz«, sagte Schamron milde, als sei sie eine unglückliche Romanze, die er lieber vergessen hätte. »Ein einfacher Auftrag, nicht wahr? In der Wohnung eines hochrangigen islamischen Extremisten ein paar Wanzen installieren. Nichts dabei. In der guten alten Zeit hätten wir so was mit geschlossenen Augen gekonnt. Man bringt die Wanzen an und verschwindet, bevor jemand merkt, daß man überhaupt dagewesen ist. Aber diese Idioten vergessen, daß die Schweizer die wachsamsten Leute der Welt sind. Eine alte Dame greift nach dem Telefonhörer, und das gesamte Team fällt der Schweizer Polizei in die Hände.«
»Wie bedauerlich.«
»Und ich sitze im nächsten Flugzeug nach Zürich, um unsere Schweizer Kollegen inständig zu bitten, die Sache nicht an die große Glocke zu hängen.«
»Das hätte ich miterleben mögen!«
Schamron lachte bellend. Gabriel erkannte, daß der Alte ihm auf seltsame Weise gefehlt hatte. Wie lange hatten sie sich nicht mehr gesehen? Acht Jahre? Nein, fast neun. Schamron war nach dem Bombenanschlag nach Wien gekommen, um mitzuhelfen, das Chaos zu entwirren, und dafür zu sorgen, daß der wahre Grund für Gabriels Aufenthalt in Wien nicht bekannt wurde. Danach waren sie sich nur noch einmal begegnet: als Gabriel in Tel Aviv gewesen war, um ihm mitzuteilen, er wolle ausscheiden.
»Ich weiß nicht, wie diese Illusion entstanden ist«, sagte Schamron. »Alle glauben, weil der Friedensschluß bevorsteht, sei unser Überleben nicht mehr gefährdet. Sie begreifen nicht, daß der Frieden die Fanatiker nur noch verzweifelter machen wird. Sie kapieren nicht, daß wir unsere neuen arabischen Freunde ebenso eifrig bespitzeln müssen wie früher, als sie geschworen hatten, uns zu vernichten.«
»Spionage hat immer Konjunktur.«
»Aber heutzutage leisten die cleveren Jungs alle ihren Wehrdienst ab und verschwinden auf Nimmerwiedersehen. Sie wollen bloß Geld verdienen, in den Cafés in der Ben Yehuda Street sitzen und in ihre Mobiltelefone quatschen. Früher haben wir nur die Besten bekommen. Leute wie Sie, Gabriel. Jetzt bekommen wir die Leute, die zu dumm oder zu faul sind, um es im richtigen Leben zu schaffen.«
»Dann müssen Sie Ihre Anwerbemethoden ändern.«
»Das habe ich schon getan, aber ich brauche jetzt jemanden. Einen Mann, der ein Unternehmen in Europa ohne Erlaubnis der Regierung des Gastlandes durchführen kann - und ohne daß es auf der Titelseite der Sunday Times endet. Ich brauche Sie, Gabriel. Ich brauche einen tatkräftigen Mann. Ich brauche Sie, damit Sie für unseren Dienst tun, was Sie mit diesem Vecellio tun. Der Dienst ist beschädigt. Ich brauche Sie, damit Sie mir helfen, ihn zu restaurieren.«
»Fünfhundert Jahre Schmutz und Vernachlässigung kann ich in Ordnung bringen. Zehn Jahre institutioneller Unfähigkeit sind eine ganz andere Sache. Suchen Sie sich einen anderen, der die Terroristen aufspürt und den Dienst auf Vordermann bringt. Ich stehe schon unter Vertrag.«
Schamron nahm seine Brille ab, hauchte auf die Gläser und putzte sie mit seinem Schal. »Übrigens war es Tariq«, sagte er, während er die Brillengläser im schwachen Licht der Instrumentenbeleuchtung begutachtete. »Habe ich das schon erwähnt, Gabriel? Tariq hat den Botschafter und seine Frau in Paris erschossen. Tariq hat die Seine mit dem Blut unseres Volkes rot gefärbt. Tariq - Ihr alter Freund.«
Gabriel stieg auf die Bremse, und Schamrons Brille knallte gegen die Windschutzscheibe.
Gabriel fuhr durch Lizard Town und raste dann über eine kahle Ebene, auf der sich das verdorrte Gras im Wind bog, zum Meer hinunter. Er parkte den Mercedes auf einem Parkplatz in der Nähe des Leuchtturms und stellte den Motor ab. Einzelne Windstöße ließen den Wagen erzittern. Gabriel führte Schamron auf einem in der Dunkelheit kaum erkennbaren
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