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Der Auftraggeber

Der Auftraggeber

Titel: Der Auftraggeber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Fußweg zu den Klippen hinunter. Das donnernde Brausen der Brandung erfüllte die Luft. Ein Seevogel kreischte sie an. Als das Nebelhorn des Leuchtturms losbrüllte, fuhr Gabriel herum und duckte sich wie zu einem lautlosen Angriff sprungbereit. In dem kleinen Café am Rand der Klippen brannte Licht. Die Angestellten hätten am liebsten schon geschlossen, aber Gabriel konnte sie dazu überreden, ihnen noch zwei Omeletts und eine Kanne Tee zu machen. Schamron, der weiter die Rolle des Herrn Heller spielte, benutzte eine angefeuchtete Papierserviette, um den Staub des Fußwegs von seinen teuren Wildlederslippern zu tupfen. Das Mädchen, das sie bediente, trug so viele Ohrringe und Armreife, daß sie wie eine Windharfe klirrte, wenn sie sich bewegte. Sie hatte etwas von Leah an sich - das sah Gabriel deutlich. Auch Schamron fiel es sofort auf.
    »Warum halten Sie Tariq für den Attentäter?«
    »Haben Sie von dem Mädchen gehört? Von der Amerikanerin, die er als Tarnung benutzt und dann eiskalt erschossen hat? Tariq hat schon immer eine Vorliebe für Frauen gehabt. Nur schade, daß sie alle auf gleiche Weise enden  mußten.«
    »Ist das alles, was Sie haben? Eine tote Amerikanerin?«
    Schamron erzählte ihm von dem Überwachungsband und dem Ober, der eine Minute vor der Abfahrt des Botschafters und seiner Frau ein geheimnisvolles Kurzgespräch geführt hatte. »Er heißt Mohammed Asis. Bei dem Partydienst hat er sich als Algerier ausgegeben. Aber er ist weder Ober noch Algerier. Er gehört seit über einem Jahrzehnt Tariqs Organisation an und hat bei mehreren von Tariqs Anschlägen wichtige Nebenrollen gespielt.«
    Schamron verstummte, als das Mädchen mit den Armreifen an ihren Tisch kam und heißes Wasser in ihre Teekanne nachgoß.
    »Haben Sie eine Freundin?« fragte er, als die Serviererin gegangen war. Bei Fragen persönlicher Art kannte er keine Grenzen. Kein Winkel im Leben eines Mannes, gleich ob Freund oder Feind, war vor seinen bohrenden Fragen sicher.
    Gabriel schüttelte den Kopf und schenkte ein - erst Milch, dann Tee, ganz auf englische Art. Schamron warf fünf Stück Zucker in seine Tasse, rührte heftig um und setzte die Befragung fort. »Keine kleinen Liebschaften? Keine leichten Mädchen, die Sie zu Vergnügungsfahrten auf Ihr Boot locken?«
    »An Bord gibt's keine Frauen. Nur Peel.«
    »Ah, richtig, Peel. Ihr Aufpasser.«
    »Mein Aufpasser.«
    »Darf ich fragen, warum es keine gibt?«
    »Nein, das dürfen Sie nicht.«
    Schamron runzelte die Stirn. Er war es gewohnt, ungehindert Zugang zu Gabriels Privatleben zu haben.
    »Was ist zum Beispiel mit diesem Mädchen?«
    Schamron nickte leicht zu der Serviererin hinüber. »Sie  verschlingt Sie förmlich mit den Augen. Interessiert die Kleine Sie nicht im geringsten?«
    »Sie ist noch ein Kind«, wehrte Gabriel ab.
    »Sie sind auch ein Kind.«
    »Ich werde bald fünfzig.«
    »Sie sehen zehn Jahre jünger aus.«
    »Ja, weil ich nicht mehr für Sie arbeite.«
    Schamron tupfte sich etwas Omelett von den Lippen. »Vielleicht nehmen Sie sich keine neue Frau, weil Sie befürchten, Tariq könnte versuchen, auch sie zu ermorden.«
    Gabriel hob ruckartig den Kopf, als habe er einen Schuß gehört.
    »Vielleicht könnten Sie sich verzeihen, was in Wien passiert ist, wenn Sie mir helfen würden, Tariq zu erledigen. Ich weiß, daß Sie sich deswegen Vorwürfe machen, Gabriel. Wäre die Sache in Tunis nicht passiert, wären Leah und Dani nie in Wien gewesen.«
    »Ich will nichts mehr davon hören!«
    »Würden Sie mir helfen, Tariq zu erledigen, könnten Sie vielleicht endlich Leah loslassen und Ihr eigenes Leben weiterleben.«
    Gabriel stand auf, warf einen zusammengeknüllten Zehner auf den Tisch und stürmte hinaus. Schamron lächelte der Bedienung entschuldigend zu und folgte ihm langsamer.
    Am Fuß der Klippen, am schmalen grauen Sandstrand der Polpeorbucht, standen die Überreste des Slips einer Rettungsstation. Ein heller, unnatürlich großer Mond schien durch Wolkenlücken, und die See warf sein Licht zurück. Gabriel vergrub die Hände in den Jackentaschen und dachte an Wien. An den Nachmittag vor dem Bombenanschlag. Das letzte Mal, daß er Leah geliebt hatte. Das letzte Mal, daß er irgendeine Frau geliebt hatte…
    Leah hatte darauf bestanden, die Jalousie ihres Schlafzimmers hochgezogen zu lassen, obwohl das Fenster auf den Innenhof ihres Apartmentgebäudes hinausführte. Gabriel war sich sicher gewesen, daß die Nachbarn sie beobachteten; Leah hatte

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