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Der Auftraggeber

Der Auftraggeber

Titel: Der Auftraggeber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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beobachten und ihre Umgebung im Auge behalten. Und trotzdem muß es so aussehen, als täten Sie nichts dergleichen.«
    Jacquelines Ausbildung endete nicht etwa bei Sonnenuntergang. Schamron erschien jeden Abend im Opernturm und holte sie zu weiteren Übungen in den Straßen von Tel Aviv ab. Er brachte sie zum Büro eines Rechtsanwalts und wies sie an, einzubrechen und eine bestimmte Akte zu entwenden. Er führte sie in eine Straße mit Luxusboutiquen und forderte sie auf, ein Kleidungsstück zu stehlen.
    »Das ist nicht Ihr Ernst!«
    »Was ist, wenn Sie auf der Flucht sind? Wenn Sie kein Geld und keine Möglichkeit haben, sich mit uns in Verbindung zu setzen? Die Polizei fahndet nach Ihnen, und Sie brauchen
    dringend neue Klamotten, um sich zu tarnen.«
    »Ich bin nicht gerade der Typ einer Ladendiebin.«
    »Sorgen Sie dafür, daß Sie unauffällig wirken.«
    Sie betrat eine Boutique und verbrachte zehn Minuten damit, verschiedene Sachen anzuprobieren. Als sie wieder herauskam, hatte sie nichts gekauft, aber in ihrer Handtasche lag ein aufregendes schwarzes Cocktailkleid.
    »Als nächstes müssen Sie eine Möglichkeit finden, sich umzuziehen und Ihre anderen Sachen wegzuwerfen«, verlangte Schamron. »Anschließend treffen wir uns am Eiskiosk auf der Strandpromenade.«
    Für Anfang November war der Abend ziemlich warm, und auf der Promenade herrschte reges Treiben. Sie gingen wie ein reicher alter Mann und seine Geliebte eingehakt den Strand entlang, und Jacqueline leckte genießerisch an ihrem Eis.
    »Sie werden von drei Leuten beschattet«, sagte Schamron. »Wenn wir uns in einer halben Stunde in der Bar des Restaurants dort drüben treffen, sagen Sie mir, wer die drei sind.
    Aber denken Sie daran, daß ich einen Kidon losschicke, der die drei liquidiert, und machen Sie keinen Fehler.«
    Jacqueline wendete die Standardverfahren zur Entdeckung von Beschattern an, genau wie Schamron sie ihr beigebracht hatte. Dann betrat sie die Bar, in der er allein an einem Ecktisch saß.
    »Schwarze Lederjacke, Jeans mit Yale-Sweatshirt, Blondine, auf der linken Schulter eintätowierte Rose.«
    »Falsch, falsch, falsch. Sie haben gerade drei harmlose Touristen zum Tod verurteilt. Kommen Sie, wir versuchen's noch mal.«
    Sie fuhren mit einem Taxi die kurze Strecke bis zum Rothschild Boulevard, einer breiten Promenade mit Bäumen, Bänken, Kiosken und eleganten Cafés.
    »Also, Sie werden wieder von drei Leuten beschattet. Wir treffen uns in einer halben Stunde im Café Tamar.«
    »Wo ist das Café Tamar?«
    Aber Schamron hatte sich bereits abgewandt und tauchte im Fußgängerstrom auf dem Gehsteig unter. Nachdem Jacqueline das elegante Café Tamar in der Shemkin Street gefunden hatte, traf sie dort eine halbe Stunde später wieder mit ihm zusammen.
    »Die junge Frau mit dem Hund, der Junge mit dem Kopfhörer und dem Springsteen-Hemd, der junge Mann aus dem Kibbuz mit der Uzi.«
    Schamron lächelte anerkennend. »Sehr gut. Jetzt noch die für heute letzte Aufgabe. Sehen Sie den Mann, der dort drüben allein sitzt?«
    Jacqueline nickte.
    »Sie fangen eine Unterhaltung mit ihm an, bekommen möglichst viel über ihn heraus und becircen ihn, mit in Ihre Wohnung zu kommen. Aber in der Eingangshalle des Opernturms finden Sie eine Möglichkeit, ihn zu verabschieden, ohne daß er eine Szene macht.«
    Schamron stand auf und verließ das Café. Jacqueline legte es darauf an, Blickkontakt mit dem Mann herzustellen. Schon nach einigen Minuten kam er herüber und fragte, ob er sich zu ihr setzen dürfe. Er sagte, er heiße Mark, komme aus Boston, arbeite bei einer Computerfirma und sei geschäftlich in Israel. Sie unterhielten sich eine halbe Stunde lang und begannen zu flirten. Aber als Jacqueline ihn zu sich einlud, bekannte er, er sei verheiratet.
    »Schade«, meinte sie. »Wir hätten uns einen sehr hübschen Abend machen können.«
    Er änderte rasch seine Meinung. Jacqueline entschuldigte sich, um auf die Toilette zu gehen, telefonierte aber statt dessen vom Münztelefon in der Garderobe aus. Sie rief die Rezeption im Opernturm an und hinterließ eine Nachricht für sich selbst. Dann kehrte sie an den Tisch zurück und sagte: »Komm, wir gehen!«
    Sie machten einen Spaziergang zum Opernturm. Aber bevor sie zum Lift gingen, fragte Jacqueline an der Rezeption, ob etwas für sie abgegeben worden sei. »Nein, aber Ihre Schwester hat aus Herzlija angerufen«, sagte die Angestellte hinter der Theke. »Sie hat versucht, Sie zu erreichen, aber als

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