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Der Auftraggeber

Der Auftraggeber

Titel: Der Auftraggeber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Sie hatte ihre bisherige Bestzeit um 15 Sekunden unterboten. Danke, Michel Duval.
    Jacqueline stieg ab und schob ihr Rennrad durch die stillen Straßen der alten Stadt. Auf dem Hauptplatz lehnte sie das Rad an einen Pfeiler, kaufte eine Tageszeitung und gönnte sich ein warmes Croissant und eine große Tasse dampfend heißen Milchkaffee. Als sie fertig war, nahm sie ihr Rad und schob es eine im Schatten liegende gepflasterte Straße entlang.
    Am Ende einer Terrasse mit kleinen Häusern oberhalb des öffentlichen Parkplatzes stand ein Wohn- und Geschäftshaus. Ein Schild in einem der Schaufenster verkündete, das gesamte Erdgeschoß sei zu vermieten. Es stand seit Monaten leer. Jacqueline legte ihre Hände seitlich ans Gesicht und spähte durchs staubige Glas: ein großer, freier Raum mit Holzboden und hoher Decke. Ideal für ein Ballettstudio. Sie hatte einen Traum: Sie würde nicht mehr als Model arbeiten und in Valbonne eine Ballettschule eröffnen. In den meisten Monaten des Jahres für Mädchen aus der näheren Umgebung, aber im August, wenn Valbonne von Touristen überlaufen war, würde sie Sommerkurse anbieten.
    Sie würde jeden Tag einige Stunden unterrichten, mit ihrem Rennrad über die Hügel fahren und im Café am Hauptplatz Kaffee trinken und lesen. Ihren Künstlernamen und ihr Image ablegen. Wieder Sarah Halévy werden - Sarah Halévy, ein jüdisches Mädchen aus Marseille. Aber um die Schule eröffnen zu können, brauchte sie Geld, und um Geld zu verdienen, würde sie weiter als Model arbeiten müssen. Sie mußte nach Paris zurück und Typen wie Michel Duval noch eine kleine Weile ertragen. Danach wäre sie frei.
    Jacqueline stieg wieder auf und fuhr langsam nach Hause. Das kleine Landhaus mit den sandsteinfarbenen Mauern und dem roten Ziegeldach stand hinter einer Zypressenreihe und war von der Straße aus kaum zu sehen. In dem großen Terrassengarten mit weitem Blick übers Tal wucherten Rosmarin und Lavendel unter Olivenbäumen und wildem Jasmin. Vor der untersten Terrasse war ein rechteckiger Swimmingpool.
    Sie schloß die Haustür auf, stellte ihr Rad in die Diele und ging in die Küche. Die rote Anzeige ihres Anrufbeantworters blinkte. Sie drückte die Wiedergabetaste und machte sich einen Kaffee, während sie die gespeicherten Nachrichten abhörte.
    Yvonne hatte angerufen, um sie zu einer Party in der Villa eines millionenschweren spanischen Tennisspielers in Monaco einzuladen. Michel Duval hatte angerufen, um sich für sein rüpelhaftes Benehmen während des Fototermins von neulich zu entschuldigen. Marcel hatte angerufen, um ihr zu sagen, er habe mit Robert gesprochen. Sie war wieder für den Fototermin auf Mustique engagiert. »Abreise ist in drei Wochen, mein Engel, also mach Schluß mit Käse und Pasta, und sieh zu, daß du deinen schönen Hintern in Form bringst.«
    Sie dachte an ihre morgendliche Radtour und lächelte. Ihr Gesicht mochte wie das einer 33Jährigen aussehen, aber ihr Körper war nie in besserer Form gewesen.
    »Oh, übrigens ist ein gewisser Jean-Claude bei mir im Büro aufgekreuzt. Er wollte mit dir persönlich über einen Auftrag sprechen.«
    Jacqueline stellte die Kaffeekanne ab und starrte den Anrufbeantworter an.
    »Ich habe ihm gesagt, daß du im Süden bist. Er hat geantwortet, er sei dorthin unterwegs und werde dich besuchen. Sei mir nicht böse, mein Engel. Er scheint ein netter Kerl zu sein. Sieht auch gut aus. Ich bin schrecklich eifersüchtig. Ich liebe dich. Ciao.«
    Sie drückte die Rückspultaste und hörte sich die Mitteilung nochmals an, um sicher zu sein, daß sie sich nicht geirrt hatte.
    »Oh, übrigens ist ein gewisser Jean-Claude bei mir im Büro aufgekreuzt. Er wollte mit dir persönlich über einen Auftrag sprechen.«
    Ihre Hand zitterte, und ihr Herz jagte, als sie die Löschtaste drückte.
    Jacqueline saß auf ihrer Terrasse in der Sonne und dachte an den Abend, an dem Ari Schamron sie angeworben hatte. Von dem Geld, das sie als Model verdiente, hatte sie ihren Eltern zum Eintritt in den Ruhestand ein Geschenk gemacht: ein kleines Apartment mit Blick auf den Strand in Herzlija. Wann immer sie ein paar freie Tage hatte, besuchte sie ihre Eltern in Israel. Sie hatte sich völlig in dieses Land verliebt. Es war der einzige Ort, an dem sie sich wirklich frei und sicher fühlte. Mehr als alles andere liebte sie die Tatsache, daß sie dort ihr Judentum nicht verbergen mußte.
    Als sie eines Abends in Tel Aviv in einem Jazzlokal saß, kam ein älterer Mann

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