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Der Auftraggeber

Der Auftraggeber

Titel: Der Auftraggeber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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einen Innenhof hinausführte. Eine Schlafcouch, ein Klubsessel mit rissigem Lederbezug, ein kleiner Schreibtisch. An der Wand neben dem Fenster hing ein Radiator, von dem die Farbe abblätterte, und neben dem Heizkörper führte eine Tür in eine Küche, die kaum größer als die Pantry auf Gabriels Ketsch war. Jacqueline ging in die Küche und begann Schubladen und Schranktüren zu öffnen und zu schließen - trübselig, als sei jede widerwärtiger als die vorige.
    »Ich habe den Bodel ein paar Sachen für dich einkaufen lassen.«
    »Hättest du nicht etwas Hübscheres finden können?«
    »Dominique Bonard ist aus Paris nach London gekommen, um hier Arbeit zu suchen. Ich glaube nicht, daß eine Dreizimmer-Maisonettewohnung in Mayfair für sie angemessen wäre.«
    »Wohnst du dort?«
    »Nicht gerade.«
    »Bleib noch ein paar Minuten. Der Gedanke, hier allein zu  sein, ist deprimierend.«
    »Ein paar.«
    Sie füllte den Teekessel mit Wasser, setzte ihn auf und stellte die Kochplatte an. Gabriel fand Teebeutel, Zucker und eine Dose Kondensmilch. Sie goß zwei Becher Tee auf und trug sie ins Zimmer hinüber. Gabriel hatte sich auf die Couch gesetzt. Jacqueline streifte ihre Schuhe ab, setzte sich in den Klubsessel und zog ihre Knie bis unters Kinn hoch. »Wann fangen wir an?«
    »Morgen abend. Klappt das nicht, versuchen wir's übermorgen noch mal.«
    Sie zündete sich eine Zigarette an, legte den Kopf in den Nacken, blies Rauch gegen die Zimmerdecke. Dann sah sie zu Gabriel hinüber und kniff die Augen zusammen. »Erinnerst du  dich an die Nacht in Tunis?«
    »Welche Nacht?«
    »Die Nacht, in der wir das Unternehmen durchgeführt  haben.«
    »Natürlich erinnere ich mich daran.«
    »Ich weiß noch alles wie gestern.«
    Sie schloß die Augen. »Vor allem erinnere ich mich an die Rückfahrt übers Meer zu unserem Boot. Ich war so aufgeregt, daß ich meinen Körper gar nicht mehr gespürt habe. Ich bin geflogen! Wir hatten es tatsächlich geschafft. Wir waren ins Haus dieses Dreckskerls mitten in einer PLO-Siedlung eingedrungen und hatten ihn umgelegt. Ich hätte am liebsten vor Freude geschrien. Aber deinen Gesichtsausdruck, deinen gehetzten Blick werde ich nie vergessen. Man hätte glauben können, der Ermordete säße neben dir im Boot.«
    »Nur wenige Menschen verstehen, was es bedeutet, einen Mann aus nächster Nähe zu erschießen. Noch weniger wissen, wie es ist, ihm eine Waffe an die Schläfe zu setzen und abzudrücken. Auf dem geheimen Schlachtfeld zu töten ist etwas anderes, als einen Mann auf den Golanhöhen oder dem Sinai zu erschießen - selbst wenn das Opfer ein Massenmörder wie Abu Dschihad ist.«
    »Das verstehe ich inzwischen auch. Als wir wieder in Tel Aviv waren, bin ich mir wie ein Vollidiot vorgekommen. Ich hab' mich aufgeführt, als hättest du das Siegestor erzielt, und du bist in diesen Augenblicken innerlich gestorben. Ich hoffe, du kannst mir verzeihen.«
    »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.«
    »Aber ich verstehe nicht, wie es Schamron gelungen ist, dich  nach all diesen Jahren zurückzulocken.«
    »Das hat nichts mit Schamron zu tun. Es geht um Tariq.«
    »Was ist mit Tariq?«
    Gabriel saß einen Augenblick schweigend da, dann stand er auf und trat ans Fenster. Unten auf dem Hof kickten drei Jungen bei gelblichem Lampenlicht einen Ball hin und her. Im feuchten Wind trieben alte Zeitungen wie Ascheflocken über ihre Köpfe hinweg.
    »Tariq hat in Wien die Sprengladung unter meinem Wagen angebracht. Tariqs älterer Bruder Mahmoud war Mitglied der Bewegung Schwarzer September. Ari Schamron hat ihn in Köln aufgespürt und mich hingeschickt, um ihn zu liquidieren. Ich habe mir Zutritt zu seiner Wohnung verschafft, als er schlief, und ihm meine Waffe vors Gesicht gehalten. Dann habe ich ihn geweckt, weil er keines friedlichen Todes sterben sollte. Ich habe ihn in beide Augen geschossen. Siebzehn Jahre später hat Tariq sich dafür gerächt, indem er meine Frau und meinen Sohn vor meinen Augen in die Luft gejagt hat.«
    Jacqueline schlug eine Hand vor den Mund. Gabriel starrte weiter aus dem Fenster, aber sie wußte, daß er nicht die auf dem Hof spielenden Jungen, sondern die Szene in Wien sah.
    »Ich habe lange geglaubt, Tariq habe sich geirrt«, sagte Gabriel. »Aber solche Fehler macht er nie. Er handelt sorgfältig, überlegt. Er ist das vollkommene Raubtier. Meine Familie hat er sich ganz bewußt ausgesucht. Er hat sie ermordet, um mich dafür zu bestrafen, daß ich seinen Bruder

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