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Der Auftraggeber

Der Auftraggeber

Titel: Der Auftraggeber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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erschossen habe. Tariq wußte, daß das für mich schlimmer war als der eigene Tod.«
    Er drehte sich zu Jacqueline um. »Unter Profis muß ich zugeben, daß er erstklassige Arbeit geleistet hat.«
    »Und jetzt willst du ihn deinerseits umlegen?«
    Gabriel wich ihrem Blick aus und schwieg.
    »Ich habe mich immer für das Unglück in Wien verantwortlich gefühlt«, sagte Jacqueline. »Hätten wir nicht…«
    »Das war nicht deine Schuld«, unterbrach Gabriel sie. »Das war meine Schuld, nicht deine. Ich hätte es besser wissen müssen. Ich habe töricht gehandelt. Aber dieses Kapitel ist abgeschlossen.«
    Jacqueline spürte die Kälte seiner Stimme wie ein Messer in ihrer Brust. Sie drückte ihre Zigarette bewußt langsam aus, dann sah sie Gabriel an. »Warum hast du Leah von uns erzählt?«
    Er blieb einen Augenblick am Fenster stehen, ohne zu antworten. Jacqueline fürchtete, sie sei zu weit gegangen. Sie suchte nach einer Möglichkeit, die Situation zu entschärfen und das Thema zu wechseln, aber sie sehnte sich verzweifelt danach, die Antwort zu wissen. Hätte Gabriel die Affäre mit ihr nicht gebeichtet, hätten Leah und Dani ihn niemals zu einem Einsatz nach Wien begleitet.
    »Ich hab's ihr gesagt, weil ich sie nicht belügen wollte. Mein ganzes Leben war eine Lüge. Schamron hatte mich davon überzeugt, ich sei vollkommen, aber das war ich nicht. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich mit etwas Nachgiebigkeit und menschlicher Schwäche gehandelt. Das sollte sie erfahren, fand ich. Wahrscheinlich wollte ich, daß jemand mir verzeiht.«
    Er nahm seine Jacke vom Haken. Sein Gesicht war verzerrt. Er war zornig - nicht auf sie, sondern auf sich selbst. »Du hast morgen einen langen Tag vor dir.«
    Seine Stimme klang jetzt geschäftsmäßig. »Versuch dich einzugewöhnen und vor allem zu schlafen. Julian erwartet dich um neun Uhr.«
    Und dann ging er.
    Ein paar Minuten lang wurde sie durchs Ritual des Auspackens abgelenkt. Dann überwältigte der Schmerz sie langsam wie das verzögerte Brennen einer Ohrfeige. Sie brach auf der Couch zusammen und weinte. Schließlich zündete sie sich eine Zigarette an und sah sich in der schäbigen kleinen Wohnung um. Was zum Teufel mache ich hier? Auf dieses Unternehmen hatte sie sich nur eingelassen, weil sie gehofft hatte, sie könne Gabriel dazu bringen, sie zu lieben, aber er hatte ihre Affäre in Tunis als einen Augenblick der Schwäche bezeichnet. Aber warum war er nach all diesen Jahren zurückgekommen, um Tariq zu töten? Nur aus Rache? Auge um Auge? Nein, überlegte sie sich - Gabriels Motive waren tiefgründiger und weit komplexer als bloße Rachsucht. Vielleicht mußte er Tariq umbringen, um sich verzeihen zu können, was Leah zugestoßen war, damit er endlich sein Leben weiterleben konnte. Aber wird er mir jemals verzeihen können? Vielleicht konnte sie seine Verzeihung nur erlangen, indem sie ihm half, Tariq zu töten. Und ich kann Gabriel nur helfen, Tariq zu töten, indem ich einen anderen Mann verführe und mit ihm ins Bett gehe. Sie schloß die Augen und dachte an Jusef al-Tawfiki.
    Gabriel hatte seinen Wagen auf der Ashworth Road geparkt. Er ließ die Schlüssel wie aus Versehen in den Rinnstein fallen und schien den Asphalt in der Dunkelheit nach ihnen abzutasten. In Wirklichkeit suchte er den Unterboden seines Autos nach etwas ab, das dort nicht hingehörte - nach einer dunklen Masse, einem herabhängenden Draht. Der Wagen schien in Ordnung zu sein, deshalb stieg er ein, ließ den Motor an und fuhr eine halbe Stunde lang kreuz und quer durch Maida Vale und Notting Hill, bis er sicher wußte, daß er nicht beschattet wurde.
    Er ärgerte sich über sich selbst. Er hatte erst von seinem Vater, dann von Ari Schamron gelernt, daß Männer, die keine Geheimnisse behalten konnten, schwach und minderwertig waren. Sein Vater hatte Auschwitz überlebt, weigerte sich aber strikt, darüber zu sprechen. Er hatte Gabriel ein einziges Mal geschlagen - als Gabriel darauf bestanden hatte, er müsse ihm von seiner Leidenszeit als Häftling erzählen. Wäre die auf seinem rechten Unterarm eintätowierte Häftlingsnummer nicht gewesen, hätte Gabriel vielleicht nie erfahren, daß sein Vater im KZ gelitten hatte.
    Tatsächlich war Israel ein Land voller beschädigter Menschen: Mütter, die in Kriegen gefallene Söhne begraben hatten; Kinder, die von Terroristen ermordete Geschwister begraben hatten. Seit dem Anschlag in Wien beherzigte Gabriel die Ratschläge seines Vaters:

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