Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Auftraggeber

Der Auftraggeber

Titel: Der Auftraggeber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
Vom Netzwerk:
der maronitischen Kirche und der designierte Präsident des Libanons. Gemayel wurde bei der Detonation einer Autobombe vor der Parteizentrale der christlichen Falangisten getötet.
    In dieser Nacht schrie halb Beirut nach Rache, während die andere Hälfte sich angstvoll duckte. Niemand wußte, wer die Bombe gelegt hatte. Es hätte jeder sein können, aber nach Überzeugung der Falangisten war der Anschlag von den Palästinensern verübt worden. Sie haßten uns. Die Christen hatten uns nie im Libanon haben wollen, und da die PLO uns nicht mehr schützen konnte, wollten sie das palästinensische Problem im Libanon endgültig eliminieren. Das hatte Gemayel vor seinem Tod sehr deutlich gesagt: ›Hier gibt es ein Volk zuviel: das palästinensische Volk.‹
    Nach dem Attentat rückten die Israelis in Westbeirut ein und bezogen Stellungen oberhalb von Sabra und Schatila. Sie wollten die Lager von den restlichen PLO-Kämpfern säubern, und um israelische Verluste zu vermeiden, schickten sie die Falange-Miliz los, um sie die Schmutzarbeit erledigen zu lassen. Jeder wußte, was passieren würde, wenn die Miliz auf die Lager losgelassen würde. Gemayel war tot, und wir würden dafür bezahlen müssen. Es würde ein Blutbad geben, aber die israelische Armee schickte sie trotzdem in die Lager.
    Bei Sonnenuntergang ließen die Israelis die ersten Falangisten  - hundertfünfzig Milizionäre - nach Schatila hinein. Sie hatten natürlich Schußwaffen, aber die meisten von ihnen hatten auch Messer und Beile. Das Gemetzel dauerte achtundvierzig Stunden. Die Glücklichen wurden erschossen. Die weniger Glücklichen starben grausigere Tode. Die Falangisten hackten Menschen in Stücke. Sie schlitzten ihnen den Bauch auf und ließen sie sterbend liegen. Sie zogen ihnen bei lebendigem Leib die Haut ab. Sie stachen ihnen die Augen aus und ließen sie blind durchs Gemetzel irren, bis sie erschossen wurden. Sie banden sie an Lastwagen und schleiften sie durch die Straßen, bis sie tot waren.
    Kinder wurden nicht verschont. Nach Ansicht der Falangisten kann ein Kind zu einem Terroristen heranwachsen, deshalb brachten sie alle Kinder um. Frauen wurden nicht verschont, weil eine Frau einen Terroristen gebären kann. Sie legten es darauf an, Palästinenserinnen rituell die Brüste abzuschneiden. Brüste geben Milch. Brüste nähren ein Volk, das die Falangisten ausrotten wollten. Die ganze Nacht hindurch brachen sie in Häuser ein und metzelten die Bewohner nieder. Bei Einbruch der Dunkelheit erhellten die Israelis den Himmel mit Leuchtkugeln, damit die Falangisten ihr grausiges Werk leichter fortsetzen konnten.«
    Jacqueline legte ihre Hände aneinander und drückte die Fingerspitzen an ihre Lippen. Jusef erzählte weiter.
    »Die Israelis wußten genau, was sich dort ereignete. Ihr Befehlsstand war keine zweihundert Meter vom Rand des Lagers Schatila entfernt. Vom Flachdach des Gebäudes aus konnten sie direkt ins Lager sehen. Sie konnten den Sprechfunkverkehr der Falangisten mithören. Aber sie rührten keinen Finger, um das Gemetzel zu beenden. Und weshalb sahen sie ihm untätig zu? Weil es genau das war, was sie wollten.
    Ich war damals erst sieben. Mein Vater war tot. Er war im Sommer umgekommen, als die Israelis während des Kampfs um Beirut die Lager beschossen. Ich lebte mit meiner Mutter und meiner kleinen Schwester in Schatila. Meine Schwester war damals erst eineinhalb. Wir versteckten uns unterm Bett, horchten auf die Schüsse und Schreie, beobachteten den Feuerschein, der über die Wände tanzte. Wir beteten, daß die Falangisten irgendwie unsere Hütte übersehen würden. Manchmal hörten wir sie draußen vor dem Fenster. Sie lachten. Sie ermordeten alle, und sie lachten. Sobald sie in der Nähe waren, hielt meine Mutter uns den Mund zu, damit wir keinen Laut von uns gaben. Meine Schwester wäre dabei fast erstickt.
    Schließlich brachen sie unsere Tür auf. Ich entwand mich dem Griff meiner Mutter und trat ihnen entgegen. Als sie nach meiner Familie fragten, sagte ich, meine Familie sei tot. Sie erklärten lachend, ich würde bald bei ihnen sein. Einer der Falangisten hatte ein Messer. Er packte mich am Haar, schleifte mich aus dem Haus, riß mir das Hemd vom Leib und zog mir ein Stück Rückenhaut ab. Dann banden sie mich an einen Lastwagen und schleiften mich durch die Straßen. Irgendwann wurde ich bewußtlos, aber zuvor merkte ich noch, daß die Falangisten auf mich schossen. Sie benutzten mich als Zielscheibe.
    Irgendwie habe

Weitere Kostenlose Bücher