Der Augenblick der Liebe
fiel ihm noch die Haager Landkriegsordnung ein. Die Staaten haben sich auf
Bedingungen geeinigt, unter denen es gestattet ist zu töten.
Die Staaten lassen ihre Leute also nicht unter allen
Umständen töten, sondern nur unter genau beschriebenen
Bedingungen. Wer sich nicht daran hält, wird nachher als Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt. Die einzige Einschränkung, die man machen muß: Es werden fast immer nur
Besiegte vor dieses Gericht gestellt. Für den Kampf zwischen
zwei Menschen, etwa einem Mann und einer Frau, gibt es
keine Bedingungen, die eingehalten werden müssen, keine
Grenze der Grausamkeit oder Gemeinheit. Es ist alles
erlaubt. Man muß es nur aushalten. Und sich, wenn es schief
geht, nachher dafür bestrafen lassen. Gottlieb spürte, wie alle
Notwendigkeit zerfiel. Schon zerfallen war. Er konnte froh sein, daß jetzt die Steuererklärung gemacht werden mußte.
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Anna bewunderte ihn für nichts so sehr wie für seine
Fähigkeit, die immer schwieriger werdenden Steuererklä‐
rungen zustande zu bringen. Auch jetzt stand sie in der Tür
und sagte: Ich bewundere dich. Er tat, als dürfe er nicht gestört werden. Und fing an. Wollte anfangen, aber es
dunkelte jäh, als sänken sie, Anna, er, das Haus, die Welt, als
sänken sie ins Wasser, ins tiefgrüne. Der Donner meldete, was passierte. Zuerst ein nur meldender Donner, dann gleich
ein greller Riß, dann wieder einer, der weiter weg durch den
Himmel fuhr, dann direkt hinterm Haus, jede Sorte Knall
und Krach und blendende Blitze. Es war, als sei es das Haus,
gegen das dieser Angriff gerichtet sei. Auch der Regen, der jetzt plötzlich herabprasselte, wirkte wie ein weiteres Kampf-mittel. Das Blitzen und Donnern hörte nicht auf. Die Re-genmasse schlug vor Gottliebs Fenster ganze Ladungen von
Rosenblättern zu Boden. Gleich riecht es erdig und süß zum
Fenster herein. Und so schnell wie es dunkelte, wurde es wieder hell. Der Donner verknatterte in der Ferne, die Rosen,
die überstanden, hoben ihre frisch glänzenden Rotköpfe in den Sonnenglanz. Dann kam aber der nächste Angriff. Diesmal mit Hagel. Auch der machte nicht alles kaputt. Dann noch dieses Rumpeln, wie wenn in einem großen Haus im
obersten Stock große Möbel gerückt werden. Dazu ruhigster
Regen. Der will versöhnen. Anna, verstehst du?
Aber Anna stand nicht mehr unter der Tür. Sie ist bei
Gewittern am liebsten im Freien. Wahrscheinlich hielt sie jetzt dem Regen ihren Kopf hin.
Gottlieb konnte anfangen. Die Ehe ist sicher eine Hölle, aber als Teufel mit einem Engel verheiratet zu sein ist durchaus erträglich. Draußen schien die Sonne und ließ alles
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Nasse gleißen. Gottlieb dachte: Ich bin wie die Sonne, es genügt, daß ich scheine.
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II.
Zusammenfinden
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I.
Zuviel auf einmal sagen wollen, das ist ihre ihr bewußte, aber deswegen nicht weniger unbehebbare Schwäche.
Ihre Schulaufsätze waren oft genug mißraten, weil sie ihr Allesaufeinmal keiner Komposition unterwerfen konnte.
Jetzt soll sie La Mettrie und ihn auseinanderhalten. Sie hatte
ihm schon zwei Briefe, Dankesbriefe, geschrieben. Hatte ihn
weder mit seinem Namen angeredet, noch am Ende mit
ihrem Namen gegrüßt. So waren es eher Arbeitszeugnisse
geworden als Briefe. Aber sie hatte die Vermeidung der
Namen doch mit ihrer Namensscheu begründet und die
entstanden sein lassen aus dem, was sie ihr Beate‐Trauma nannte. Und wo, wenn nicht in Amerika, könnte man den
bedenkenlosen Vornamengebrauch lernen! Aber es ging ja,
bitte, nur um La Mettrie, nicht wahr, Herr Krall! Und Herrn
Zürn‐Krall war es doch gelungen, sie zu öffnen. La Mettrie betreffend, war es ihm gelungen, sie zu öffnen! Wie La
Mettrie in Deutschland ankam, nicht ankam ... Wie sie das nicht interessierte! Wie sie allein interessierte, wie La Mettrie bei ihr ankam! Und alle schreiben sie nur darüber, wie
andere ihn verstanden oder nicht verstanden haben. Sie war
eben keine Historikerin, wahrscheinlich überhaupt keine
Wissenschaftlerin.
Ceux que la Nature aura favoris és, schaut man lieber an als
die, die zu kurz gekommen sind. Er hatte ihr auf seiner 46
Terrasse das Gefühl gegeben, sie sei gar nicht zu kurz gekommen. Die Briefe an den Mann mit zwei Namen trug sie,
bevor sie sie einwerfen konnte, tagelang mit sich herum.
Jedesmal mußte sie sich mit Martini Extra Dry eine Art
Bedenkenlosigkeit antrinken. Er hat die Briefe beantwortet.
Ganz ungeniert ließ er jeden seiner Briefe mit
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