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Der Augenblick der Liebe

Der Augenblick der Liebe

Titel: Der Augenblick der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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Sie wollte die Bewertbarkeit des
    Gesagten bestimmen, vorherbestimmen.
    Der neueste Traum: Unterwegs zu Wendelin Krall. Zuerst
    auf einem Boot, dann über eine Brücke, mit ihr Magda und Julia, sie gehen zu einer, auf (?) eine (verflucht seien die deutschen Präpositionen) Party. Auf der Brücke blieb sie
    stehen. Sie wollte hinunterschauen ins Wasser. War froh, daß
    Magda und Julia ohne sie weitergingen. Sie hatte beide, von
    denen sie nicht viel mehr als die Vornamen wußte, von
    Anfang an als Konkurrentinnen, ja, als Gegnerinnen empfun‐
    den. Natürlich die artemishafte Julia mehr als die sophro-synische Magda. Julia wollte von ihr (im Traum) bewundert
    werden, sie aber weigerte sich. Im Wasser schwammen viele
    gewaltige Holzstämme. Ein mächtiger Stamm stieß so gegen
    ein Boot, daß es kenterte. Das Ufer war ein einziges Bauge-lände. Dann Wald. Sie mußte weiter. Sie wußte nicht mehr, wo Wendelin Krall war. Die Douglas‐geschulte Deuterin
    wurde von Deutungen heimgesucht: Angst, auch im Traum,
    nicht kreativ genug zu sein. Die Holzstämme erinnern an

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    Bleistifte/ pen(cils). Wissend, daß die Kreativität männlicher
    Autoren, ihr Griff zum pen als phallische Geste gilt ... Ach nein. Sie ist es müde, Bedeutungen zu träumen. Wehe ihr, wenn Dr. Douglas das entdeckte. Is she weird?
    Glen O. Rosenne, im Büro der Abteilung, also in Janes
    Gegenwart, daß er den Bericht über Rick Hardy noch nicht an den Sexual Harassment Officer weitergeleitet habe. Mehr
    sagte er nicht. Würde sie ihn um das Weiterleiten bitten, würde er weiterleiten. Also hing es doch von ihr ab. Und Jane wußte offenbar Bescheid. Sie nickte nicht, schüttelte auch nicht den Kopf. Sie hob ein wenig die Schultern und tippte weiter.
    Tatsächlich konnte Beate an nichts anderes mehr denken
    als an die ausbleibende Antwort aus Deutschland. Weder
    Brief noch Telephon. Das konnte nur heißen, daß Herr Zürn‐
    Krall durch die Aussicht, in sechs Monaten das hoch‐lie‐
    gende Hin und Her einer Wirklichkeit aussetzen zu müssen,
    verstört worden war. Er hatte wahrscheinlich mit nichts
    gerechnet beziehungsweise mit nichts als Wolken und Kulis‐
    senschieberei. Briefe zur Gründung von Unwirklichkeit. Und das in alle Ewigkeit! Sie hatte ja auch nicht anders gedacht oder empfunden, auch wenn sie die Ziellosigkeit, die sie sich
    verordnete, nicht so gewählt ausdrückte wie ihr Briefstilist jenseits des Wassers. Und jetzt dieser Knaller! März.
    Entweder oder! Oh boy, cʹmon.
    Die Angst, ihn zum Nochwenigersagen zu treiben, war
    federführend gewesen. Der Vortrag natürlich auf Englisch.
    Da dürfte sie sich endlich für unentbehrlich halten. Und Mitte März, kalifornischer Frühling! Was that not tempting?
    Und 500 Dollar, Sir.

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    Dann machte er es ihr so schwer wie möglich. Er stellte ihr
    eine Aufgabe, eine richtige Hausaufgabe, eine Gleichung mit
    zwei Unbekannten: Er und Sie. Und sie sollte sie lösen. Nur
    wenn sie die Gleichung lösen könne, könne er kommen.
    Also, führte er wahrhaft aus, nehmen wir einmal an,
    zwischen ihnen sei etwas entstanden, wofür es ehrwürdige, aber auch weniger ehrwürdige Namen gibt. Ihm ist, gibt er zu, egal, welche Bezeichnung er einheimst. Jeder Zeuge − bis
    jetzt haben sie noch keine − (von Madelon hatte sie ihm noch
    nichts geschrieben), jeder Zeuge würde Themire und
    Sylvandre (wenn er sich auch mal kostümiere) beurteilen,
    wie es ihm beliebt, wie er es (für sich) braucht. Was er, Sylvandre − er gibt zu, daß ihm dieser Rollenname jetzt sehr
    gelegen kommt −, was er aber selber wissen muß, ist: Egal, wie man, was zwischen ihnen ist, nennen muß, warum ist es
    entstanden! Noch genauer − er kann das ihr und sich selber
    nicht ersparen −: Er weiß nicht, warum sie ihn mag. Sie hat zwar Sympathie, Zugetansein, ja Verliebtsein, vielleicht
    sogar gelegentlich heftiges, sie hat es gestanden, hat es durch
    Verbergen gesteigert, hat es durch sommernachtstraumhafte
    Regieeinfälle immer reizender werden lassen, aber nicht ein einziges Mal hat sie sich gefragt, WARUM. Nun kann man
    natürlich auch antworten, ohne daß gefragt worden sein
    muß. Er aber muß fragen: Warum. Er begreift nämlich nicht,
    warum. Er ist nicht gewinnend, nicht gut aussehend, nicht reich, nicht einmal geistreich. Er ist furchtbar normal. Erschütternd durchschnittlich. Dank der Plastizität, also Anpassungs‐, also
    Entwicklungsfähigkeit seiner Frau hat er es sich leisten
    können beziehungsweise einfach

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