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Der Augenblick der Liebe

Der Augenblick der Liebe

Titel: Der Augenblick der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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ging hinüber zu ihr, legte sich eng neben sie, zwischen sie, sagte, er sei genau so erschrocken wie sie, als er sich so reden hörte. Aber müsse nicht wenigstens ein Tausendstel von dem, was in einem passiere, heraus? Zwischen zweien wie sie und er. Das Gerede vom Sturz
    ist Wortstroh. Das Hinab so bremsen, daß es kein Sturz wird,
    sondern ein Untergang. Jetzt, nach dem schönen Bourbon,
    hat er mehrere Bedürfnisse. Erstens will er auf sie einplaudern von zu Hause. Was er jetzt empfindet, und sie wisse, daß La Mettrie alle Erkenntnis mit Empfindung beginnen

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    läßt, möchte er eine unschuldige Sehnsucht nennen. Nach
    dort. Nach dieser Familie, die er seine Familie nennen muß.
    Er möchte sie alle andauernd aufzählen. Inklusive Anna.
    Und daß er das Beate so hinsagen kann, daß er das nicht finster verheimlichen muß, das zieht ihn hin zu Beate. Er kann gar nicht sagen, wie. Er will jetzt auch einmal
    Schlagzeilen machen: Besoffener Gastreferent fickt Graduate
    Studentin ins Leben.
    Danach verschraubten sich beide auf der Liege in einander.
    Beate löschte den Fernseher. Gottlieb lag noch wach, als sie schon schlief. Ihm war, weiß Gott, warum, fromm zumute.
    Er hatte dieses Hochgefühl der Biederkeit, es allen recht gemacht zu haben. Also auch sich selbst.
    Am nächsten Vormittag, als Beate in ihrer Klasse war, rief
    Gottlieb die Lufthansa an und verlegte den Flug noch
    einmal, und zwar auf den nächsten Tag. Das wird teuer. Er muß die Fluglinie wechseln. Ihm egal. Oder nicht egal. Egal.
    Als sie zurückkam, gab sie sich erstaunt. Sie habe ge‐
    fürchtet, geglaubt, er sei, wenn sie zurückkomme, nicht mehr
    da. Und riß ihn an sich und aufs Sofa. Und entschuldigte sich
    dafür, daß sie so etwas habe denken können. Aber dieser Tag
    sei der Tag der Katastrophe, was lag da näher, als zu
    fürchten, daß die Katastrophe auch vor ihr nicht Halt
    machen werde. Wart, sagte sie, als sie sah, daß er etwas sagen wollte. Wart! Sie hat Dr. Douglas verloren. Für immer.
    Tot? sagte Gottlieb. Sie schüttelte den Kopf. Rick Hardy habe
    sie heute hinausgebeten in den Park und habe sich, als sie draußen waren, umgesehen und erst als weit und breit kein
    Mensch zu entdecken war, habe er angefangen. Sie sei da schon halb ohnmächtig gewesen vor Angst, weil sie sicher 198
    war, daß er etwas Vernichtendes über Berkeley nachzutragen
    habe oder − noch schlimmer − daß er, weiß der Geier, woher,
    wisse, wo der Gastreferent untergeschlupft sei. Aber das war
    es nicht. Allerdings, was der Meisterspion dann ganz kühl und leise mehr vor sich hin als zu ihr sagte, war fast genau
    so schlimm. Kurzfassung O‐Ton: Dr. Douglas called
    housewives: Their husbands, his patients, are in danger of comitting suicide. If the wives would have sex with another
    man, that could cure the husbands. Of fifty women who now
    called the sexual victimsʹ unit seven did everything the psychiatrist asked. Eine der sieben Opferwilligen war Sue-Ann, die üppige blonde Rosenne‐Gattin. Klar, ihr geliebter Gatte stehe kurz vor dem Selbstmord, helfen könne nur noch
    eine Therapie per Vitalschock und sie, Sue‐Ann, sei die
    einzige, die diesen Vitalschock auszulösen im Stande sei. Sie
    müsse mit einem anderen Mann schlafen, das ihrem Gatten
    sagen, aber nicht sagen, mit wem, sonst wäre die Schock-wirkung relativiert. Irgendwann, müsse sie sagen, werde er es von ihr erfahren. Die Wirkung werde absolut fabelhaft sein. Dafür verbürge er sich. Von Suizidgefahr könne dann nicht mehr die Rede sein. Dr. Douglas besorgte den
    therapeutischen Beischlaf. Honorarfrei. Dann schaffte sie
    aber das Verschweigen nicht. Oder der Gatte setzte Mittel ein, die sie dazu brachten, alles zu gestehen. Dr. Douglas ist
    verschwunden. Wahrscheinlich für immer.
    Gottlieb streichelte Beate. Sie brach jetzt richtig in Tränen aus. Je mehr es sie schüttelte, desto heftiger mußte er sie streicheln. Sie müßte jetzt doch sofort zu Glen O. Rosenne, ihn trösten, unglücklicher als Rosenne jetzt sei, könne doch kein Mensch sein. Und sie, sie hat, als sie zum ersten Mal 199
    gehört hatte, der Professor liege bei Dr. Douglas auf der Couch, gegrinst! Dafür schämt sie sich jetzt. Ihr war, als sie das gehört hatte, eine Zeitungsnotiz eingefallen, besagend, Krokodile träumen nicht, weil sie sich zu einer Zeit
    entwickelt hatten, als auf der Erde noch nicht geträumt
    werden konnte, was also konnte Professor Lizard Dr.
    Douglas erzählen! Und dann das! Sie weinte

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