Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Augenblick der Wahrheit

Titel: Der Augenblick der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
Vom Netzwerk:
kurz darüber. Sie hatte einen Job, in dem sie gewohnt war, ihre eigentlichen Absichten zu verheimlichen, aber ich meinte, Gereiztheit oder Verwirrung in ihren Augen ausmachen zu können. Ich legte meine Hand auf ihre.
    »Du möchtest auch gern, daß ich nachsehe, oder?« sagte ich.
    »Es ist deine Entscheidung.«
    »Aber du möchtest es, oder?«
    »Es könnte interessant sein.«
    »Und wenn ich etwas finde, das für dich und deinen Rechenschaftsbericht wichtig sein könnte, würdest du es gern wissen.«
    »Peter«, sagte sie. »Unser Rechenschaftsbericht muß in ein paar Tagen abgeliefert werden, und die Wartezeit bei der Gauck-Behörde kann mehrere Monate betragen. Es pressiert also nicht.«
    »Aber grundsätzlich?«
    »Grundsätzlich ja«, sagte sie und lächelte wieder.
    Ich ließ ihre Hand los und sah ihr in die Augen.
     
    »Okay. You have got a deal. Aber unter einer Bedingung.«
    »Wann und wo, Peter?« sagte sie und lachte laut. Das gelang mir offenbar gut bei ihr – sie zum Lachen zu bringen. Denn irgendwie hatte ich das Gefühl, daß es für sie in diesem Leben ihrer Meinung nach wenig zu lachen gab. Hinter dem reizenden Äußeren versteckte sich ein Kummer, und ich spürte, daß sie alles tat, um die Niederlage, die sie irgendwann erlitten hatte, zu verbergen.
     
    17
    Ich fuhr in die Stadt und kaufte mir einen Sommeranzug, ein neues Hemd, eine Krawatte und ein paar neue Schuhe, ließ das Hotel ein Luxustaxi bestellen und holte Clara von ihrer Wohnung in der Vesterbrogade ab. Sie trug ein helles Sommerkleid, hatte Augen und Mund leicht geschminkt und nickte ironisch, aber auch ein wenig geehrt, als ich ausstieg und ihr die Tür aufhielt. Am Hals trug sie einen einfachen Goldschmuck, der in einer kleinen Schlange endete.
    »You look like a million dollars«, sagte sie.
    »And you like a billion«, sagte ich, und sie lachte über das übertriebene Kompliment, aber der Sommerabend verführte dazu, einen leichten und heiteren Ton anzuschlagen.
    Ich kannte in Kopenhagen keine besonderen Restaurants und hatte erst ans Tivoli gedacht, aber dann entschied ich mich auf den Rat des Empfangschefs im Hotel für den Regattapavillon in Gladsaxe, der eine neue, sehr empfehlenswerte Küche bekommen haben mußte, die in Politiken vier oder fünf Kochmützen erhalten hatte, das imponierte in Kopenhagen anscheinend sehr. Es erwies sich als gute Wahl. Das Hotel hatte einen Tisch in der Ecke des Restaurants reserviert, von dem man eine Aussicht über den See hatte, der sich mit anbrechendem Abend langsam rot färbte. Aber zunächst nahmen wir auf Vorschlag des Kellners einen Apéritif auf der Terrasse. Es war ein Abend, den das dänische Fremdenverkehrsamt überall auf der Welt für die Werbung hätte einsetzen können. Ein schöner, selten warmer Abend, an dem die Düfte eines zarten Spätsommers vom See heraufkamen und sich mit den Gerüchen appetitanregender Gewürze aus der Küche mischten. Der Wind hatte sich gelegt, und der Bagsværdsee lag blank da wie eine Silberplatte, nur einige Ruderboote durchbrachen die spiegelnde Wasseroberfläche. Die Menschen gingen paarweise spazieren oder allein oder mit den allgegenwärtigen Hunden, und vom steilen Ufer des Sees, wo sich auf einer Decke eine Gruppe junger Leute mit Picknickkörben niedergelassen hatte, hörte man Gelächter. Das Royal schickte vermutlich noch andere hierher, denn die Abendgäste waren hauptsächlich gediegene Männer in dunklen Anzügen, die sich in Geschäftsenglisch unterhielten, aber Clara und ich saßen ungestört in unserer Ecke und setzten unser Gespräch von der Terrasse fort. Es hatte etwas unbeholfen angefangen, als hätten wir uns plötzlich nichts mehr zu sagen und wären junge Leute bei ihrem ersten Date. Aber es gab zwischen uns auch eine Empfindung, die das Schweigen nicht notwendigerweise peinlich wirken ließ. Daß es so ein schöner Sommerabend war, machte es natürlich einfacher. Und daß wir trotz allem in einem Alter waren, in dem wir unsere Unsicherheit nicht durch unüberlegtes Losplappern kaschieren mußten. Und als wir mit der Menükarte in der Hand unsere Wahl treffen sollten, konnten wir leicht über die Auswahl und den Wein und das angenehme Restaurant plaudern und einen kleinen Scherz über die Geschäftsleute machen.
    »Womöglich einer der Spione, die du einst im Kalten Krieg gejagt hast«, sagte ich.
    »Du brauchst gar nicht ›einst‹ zu sagen«, sagte sie. »Ich bin nicht arbeitslos geworden. Wir haben gewisse Elemente in

Weitere Kostenlose Bücher