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Der Augenblick der Wahrheit

Titel: Der Augenblick der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Zeitungskioske sah und die Lotterieverkäufer, das Gewimmel der Menschen, die aus der Metro kamen und den Hügel zum Kaufhaus Cortes Ingles hinaufgingen, um etwas so Alltägliches und Normales wie ihre Einkäufe zu erledigen, funktionierte mein Gehirn wieder. Ich atmete langsam und tief, wie Suzuki mich das seit eh und je gelehrt hatte.
    Es gab einen Minister, der einiges einsetzte, um zu verhindern, daß sein Familienglück und seine Karriere als netter christlich-demokratischer Politiker durch eine Fotoserie zerstört wurde, die Peter Lime aufgenommen hatte. Er hatte schnell reagiert, aber wenn ein Politiker heutzutage nicht versteht, daß die Medien blitzschnell reagieren und die Tagesordnung festsetzen und nicht auf die Zaudernden und Zagenden warten, wäre er gar nicht erst Minister geworden.
    Der Seat fuhr an dem plumpen Polizeigebäude entlang nach links und bog bei den beiden mit Maschinenpistolen bewaffneten Wachsoldaten, die mit ihren dicken, braunen schußsicheren Westen über der Uniform wie schwanger aussahen, in den Hof des Präsidiums ein. Dort standen mehrere Streifenwagen, ein Wasserwerfer und etliche weiße Seats, in denen die Bereitschaftspolizei unerkannt herumzukutschieren meinte, aber ich schaffte es nicht, viel mehr zu sehen. Sie zogen mich aus dem Auto, packten mich an den Ellbogen, schleppten mich durch eine niedrige Seitentür in einen dunklen Gang und eine Treppe hinunter, dann rechts einen langen Gang und eine weitere Treppe hinunter, die in einen größeren Raum führte, in dem ein abgenutzter, fleckiger Schreibtisch stand. Dort saß ein Beamter in seiner grauen Uniform. Vor ihm lag eine aufgeschlagene Sportzeitung, die von Real Madrids letztem Triumph berichtete. Daneben stand eine leere Kaffeetasse. Der Gefängnisbeamte sagte auch kein Wort, hatte aber augenscheinlich auf mich gewartet. Er führte uns durch einen langen Gang, wo nackte, nur mit weitmaschigem Stahldraht umwickelte Birnen ein scharfes Licht auf uns warfen. Auf jeder Seite des Gangs waren blaue Zellentüren. Er blieb vor der vierten stehen und öffnete sie. Die Handschellen wurden aufgeschlossen und mit einer harten Bewegung abgezogen. Ich stöhnte und wollte gerade protestieren, als mich einer von ihnen erst an meinem Zopf packte und zurückzog, dann losließ und mich so heftig zwischen die Schulterblätter stieß, daß ich strauchelte und der Länge nach in die Zelle fiel.
    Mit meinen noch gefühllosen Händen konnte ich nicht viel anfangen. Ich knallte mit einem hohlen Laut auf den Boden, der mir die Luft nahm, während die Tür polternd ins Schloß fiel und ich das schneidende, furchtbare Geräusch eines Schlüssels hörte, der zweimal umgedreht wurde. Ich war eingesperrt.
    Ich blieb eine Weile auf dem Zementboden liegen, um mich zu sammeln, während das Blut in meinen Händen prickelte. Im Zellengang war es so still, als wäre hier alles schalldicht isoliert.
    Allmählich beschlich mich das Gefühl, daß man mich in eine der alten Folterkammern der Franco-Diktatur geworfen hatte.
    Wenn es ihr Ziel gewesen war, mir einen Schreck einzujagen, stand ihr Vorhaben kurz vor dem Gelingen. Ich hätte meine Freiheit gern gegen zwanzig Fotos eines geilen Ministers eingetauscht, aber dessen Getreue kannten Oscar und Gloria nicht. Sie würden Himmel und Erde in Bewegung setzen, um mich freizukriegen. Sie würden alle gesetzlichen Möglichkeiten und Rechte ausschöpfen, aber sie würden, wenn es sein mußte, auch nicht zögern, die pornographischen Bilder des Ministers und seiner Gespielin als Druckmittel zu benutzen, um ihren Freund den Klauen der bürgerlichen Staatsmacht zu entreißen.
    Damit tröstete ich mich, während ich mich wieder aufrappelte und mich auf die Pritsche fallen ließ, auf der eine dünne Decke lag. Ich tröstete mich auch damit, daß dies hier ein eher ungeschickter Erpressungsversuch war. Es gab im Grunde kein Delikt. Sie hatten keine Beweise. Sie hatten nicht einmal die übliche Routine in Gang gesetzt und mich fotografiert und meine Fingerabdrücke genommen.
    Drei Meter über meinem Kopf brannte an der Decke eine grelle Birne, die ebenfalls mit schwerem Stahldraht umwickelt war. Die Wände waren schmutziggelb und nackt und mit einer glatten, dicken Farbe bestrichen, die nicht so aussah, als könnten Gefangene Nachrichten hineinkratzen, wie Romantiker sich das so vorstellen. Ein Loch in der Ecke stellte die Toilette dar. Es gab ein Waschbecken mit Rostflecken und einen kleinen Tisch, der in der Wand

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