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Der Augenblick der Wahrheit

Titel: Der Augenblick der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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verankert war. Die Tür trug ihr Guckloch wie einen Schmuck. Man konnte hinein-, aber nicht hinausschauen.
    Sie hatten mir weder meinen Gürtel noch meinen Kamm, noch meine Schnürsenkel abgenommen. Vielleicht war es ihnen Wurscht, ob ich Selbstmord beging. Vielleicht wäre es ihnen gar nicht so unlieb gewesen. Mir taten die Knie und die Handgelenke weh, so daß ich die Beine anzog, die Hände auf die Knie legte, die Augen schloß und in mich schaute, wie Suzuki es mich gelehrt hatte, bis mein Gehirn leer war, der Atem ruhig ging, die Schmerzen nachließen und ein kleiner leuchtender Punkt zwischen meinen Augen das einzige war, was mein Bewußtsein noch wahrnahm. Ich fand in das Nada, das zu finden Suzuki mir beigebracht hatte und das er wa nannte, wenn das Leben verlangte, daß die Zeit angehalten wurde. Wenn die Sekunden langsamer wurden, bis sie fast vibrierend stillstanden, leuchtend still, und die Konzentration nur den kleinen Lichtpunkt umfaßte, den Suzuki als innerste Herzkammer der Seele beschrieb. Mein Lichtpunkt wuchs aus den Gesichtern meiner beiden Lieben, die mir zulächelten und Ruhe schenkten.
    Als sie mich am Abend holten, hatte ich zwar Hunger und Durst, war aber innerlich im Gleichgewicht und in Kampfeslaune. Es waren dieselben beiden Männer und der fette Gefängnisbeamte. Sie legten mir keine Handschellen mehr an, sondern begnügten sich damit, meine Ellbogen in festen Griff zu nehmen. Ich verlangte noch einmal, meinen Anwalt oder zu Hause anrufen zu dürfen, aber sie antworteten nicht. Sie führten mich in einen kleineren Raum und stellten mich vor eine weiße Wand.
    Jetzt begann das Ritual. Sie machten Fotos und nahmen meine Fingerabdrücke. Sie sprachen weiterhin nur das Notwendigste.
    Dann führten sie mich in einen kleinen Gerichtssaal.
    Der Untersuchungsrichter war ein kräftiger Mann mittleren Alters, der mich über seine schmale Lesebrille ansah. Er hatte buschige graue Augenbrauen und ein kleines, kaum sichtbares Kinn. Die Stenographin trug einen blauen Rock und eine Bluse und schaute mich nicht an. In Spanien ist der Untersuchungsrichter in der ersten Phase einer Strafsache im wahrsten Sinne Richter und Untersuchender in einer Person. Er muß feststellen, ob ein Verbrechen stattgefunden hat und ob es Belege gibt, um die Sache weiterzuverfolgen, oder ob der Beschuldigte freigelassen werden muß. Mein Untersuchungsrichter war als Freund des Ministers durchaus vorstellbar. Er war füllig und versuchte seine Kilos unter einem gutsitzenden Anzug zu verbergen. Auch der Schlips war in dunklen Tönen gehalten. Er glich einem Leichenbestatter, der ein allzu gut laufendes Geschäft hat.
    Die beiden schweigsamen Beamten plazierten mich auf einem Stuhl vor dem Untersuchungsrichter. Sie nahmen direkt hinter meinen hochlehnigen, unbequemen Stuhl Aufstellung. Der Richter wühlte in Papieren und fragte, ob mein Name Peter Lime sei, ob ich die Aufenthaltsgenehmigung Nummer soundso hätte und ob sich mein fester Wohnsitz an der Plaza Santa Ana in Madrid befände. Und ob ich die spanische Sprache verstünde.
    Ich antwortete auf alles mit Ja und bemühte mich, ruhig zu bleiben. Nachdem wir festgestellt hatten, daß ich der war, der ich war, sagte ich: »Ich hatte keine Möglichkeit, mit einem Anwalt zu sprechen. Seit meiner unberechtigten Festnahme habe ich weder Wasser noch Brot bekommen. Meine Familie ist bestimmt verzweifelt und in Angst, weil sie nicht weiß, wo ich bin.«
    Der Richter hatte weder Humor noch andere menschliche Qualitäten.
    »Sie antworten dem Gericht, wenn Sie gefragt werden, sonst schweigen Sie.«
    Er schaute in seine Papiere und dann über seine Lesebrille wieder mich an.
    »Am 3. Juni waren Sie in Llanca in Katalonien?« Ich konnte das Fragezeichen nicht hören, so daß ich nicht antwortete.
    »Der Beschuldigte muß antworten«, sagte der Richter. Es war unheimlich und furchteinflößend. Ich war vom Willen eines einzelnen Mannes abhängig. Der Minister hatte lange Fangarme, denn ihm hatte ich meine Festnahme ja wohl zu verdanken. Bei all den Auf-und Abstiegen meines Erwachsenenlebens hatte ich mich immer an die Tatsache geklammert, daß ich zumindest ein freier Mensch war, unabhängig von öffentlicher Gnade oder der Willkür eines festen Arbeitgebers.
    »Es ist korrekt, daß ich in Llanca war.«
    »Sie überfielen mit Kampfsportmethoden einen Bediensteten des Justizministeriums und bedrohten einen zweiten Bediensteten?«
    »Das ist keine korrekte Auslegung«, sagte ich.
    »Und

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