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Der Augenblick der Wahrheit

Titel: Der Augenblick der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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zerstört wurden?
    Falls das der Fall ist, möchte ich dies als deine Anwältin gern wissen. Wir haben eine massive Entschädigungsklage mit der Versicherungsgesellschaft laufen. Wir machen geltend, daß du deine berufliche Grundlage, dein berufliches Kapital verloren hast, und das muß kompensiert werden. Ich stehe nicht im Gericht, Peter, und spreche für deine gute Sache, wenn die Gegenseite plötzlich wertvolle Fotos aus dem Ärmel ziehen kann. Die Sache steht und fällt damit, daß alles, ich sage: alles, bei dem Brand verlorengegangen ist. Also, was ist das für Zeug?«
    Oscars Sekretärin steckte den Kopf durch die Tür.
    »London«, sagte sie nur, und Oscar ging hinaus und warf mir einen langen Blick zu.
     
    »Also, was ist, Lime?« sagte Gloria.
    »Ich habe seit eh und je bestimmte Negative und Bilder aufbewahrt.«
    »Warum?«
    »Ich weiß nicht. Manche schreiben Tagebuch. Mein Tagebuch sind meine Bilder. Manche sammeln Briefmarken. Ich sammle Augenblicke.«
    »Was sind das für Bilder?«
    »Professionelle, private, wichtige, unwichtige, häßliche, schöne. Meine Bilder.«
    »Limes Bilder, ja? Das Jacqueline-Kennedy-Negativ zum Beispiel«, sagte sie.
    »Zum Beispiel.«
    »So was geht vor Gericht nicht. Das allein ist eine Million wert. Wo sind sie? Ich will ihren Wert ermitteln lassen.«
    »Ausgeschlossen.«
    »Peter!«
    »Vergiß es. Es ist nicht wichtig.«
    »Wo sind sie?«
    »Ich sage doch, es ist egal!«
    »Du machst die Sache schwer, Peter.«
    »Dann laß sie fallen.«
    »Unter keinen Umständen! Wir haben alle Chancen, die arroganten Typen in dieser knickrigen Versicherung zu melken.«
    Das war der Kampf. Das war der Schlagabtausch. Die Chance, arrogante Typen fertigzumachen, das trieb sie an und eigentlich nicht das Geld. Ich sagte nichts, und es herrschte eine peinliche Stille, die noch nie zwischen uns gewesen war. Tabak ist ein Erlöser, also steckten wir uns eine Zigarette an und bliesen den Rauch in entgegengesetzte Richtungen und unterbrachen den Augenkontakt, ohne daß es zu auffällig wurde, aber Oscar spürte, daß etwas in der Luft lag, als er zurückkam.
    »Na, na«, sagte er, »welcher Engel ist denn hier durch den Raum gegangen, während ich weg war?«
    »Ist egal. Ich erzähl es dir später«, sagte Gloria. »Mach deine Reise, Peter. Wir sprechen uns, wenn du wiederkommst. Vor Oktober, frühestens, passiert sowieso nichts. Mach deine Reise auf deiner Höllenmaschine und versuch, das System auszumisten.«
    Oscar wollte wohl noch etwas sagen, aber Glorias Blick ließ ihn innehalten, und sie stellten die rituelle Frage, ob wir nicht alle drei essen gehen sollten, sie hätten extra ihre Verabredungen abgesagt, aber ich befreite sie aus ihrer Pein und entließ sie zu ihrem amerikanisch inspirierten Powerlunch oder zum Besuch bei Liebhaber beziehungsweise Geliebter und fuhr in der Mittagshitze zur dänischen Botschaft, um meinen neuen Paß zu holen, und dann nach Haus, um Don Alfonzo auf Wiedersehen zu sagen. Madrid war plötzlich eine Zwangsjacke, die mich zu ersticken drohte. Die Häuser beugten sich über die überfüllten Straßen, als wollten sie gleich umstürzen. Sie standen wie lauernde Grabsteine und wurden schwarz vor meinen Augen.
    Gloria und Oscar hatten mich mit einem heiteren Gerede über Ferienpläne verabschiedet. Der furchtbare Madrider August stand vor der Tür. Gloria wollte nach London, das sie so liebte.
    Oscar wollte im kühlen Irland ein paar Wochen Golf spielen und sich dann mit Gloria in London treffen. Ich versprach halbherzig nachzukommen. Geschäft und Vergnügen. Denn wenn wir schon mal in London waren, konnten wir ebensogut unsere britische Aktion überprüfen, die wie alles andere, das Gloria und Oscar anfaßten, schnurrte wie eine Katze vor dem Sahnetopf. Im Grunde hatte ich den Eindruck, daß sie in erster Linie ihren guten alten Peter Lime wiederhaben wollten und daß sie wünschten, das Ereignis hätte nie stattgefunden und falls doch, sollte man es am besten bald vergessen. Das Leben konnte nicht zurückgedreht werden. Es war live, und da gab es keine Reue, meinten wir doch. Hatten wir jedenfalls einmal gemeint.
    Don Alfonzo war nicht zu Hause. Er hatte eine Nachricht hinterlassen. Er sei in die Stadt gefahren und rechne damit, einige Tage im Hotel zu verbringen, während er sich um unsere Sache kümmere, hatte er geschrieben und wünschte mir für die Reise alles Gute. Neben dem Zettel stand eine seiner schönsten Orchideen in einer kleinen blauen

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